Podiumsdiskussion im Schauspielhaus Was Deutschland zusammenhält

Düsseldorf · Politikwissenschaftler Hasnain Kazim, Sohn indisch-pakistanischer Eltern, erklärte im Schauspielhaus seinen Blick auf Deutschland.

Hasnain Kazim war zu Gast bei „Positionen und Perspektiven“.

Foto: Peter Rigaud

Zur fünften Ausgabe der Reihe „Positionen und Perspektiven“ saß jetzt wieder das Ehepaar Meron Mendel und Saba-Nur Cheema auf dem Podium im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses – er Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und Autor, sie Politologin, Publizistin und Antirassismus-Trainerin. Von ihrem Gast Hasnain Kazim erhofften sie sich Auskunft darüber, was uns als Gesellschaft zusammenhält. Da traf es sich gut, dass Kazims neues Buch „Deutschlandtour“ soeben in den Handel gelangt ist, ein „politischer Reisebericht“. Eine Antwort auf die Frage des Abends ließ jedoch lange auf sich warten. Stattdessen erzählte Hasnain aus seinem zurückliegenden Leben als Auslandskorrespondent und reihte Anekdoten über Begegnungen im Inland aneinander, die er per Fahrrad gesammelt hatte.

Ausgangspunkt war das Dorf Hollern-Twielenfleth im Alten Land, in dem er als Sohn indisch-pakistanischer Eltern aufgewachsen war; seine Heimat, wie er bekannte. Kazim fühlt sich als Deutscher, gehört aber nicht zu denjenigen mit migrantischem Hintergrund, die die Frage „Woher kommst du?“ für rassistisch halten. Vielmehr sieht er hinter dieser Frage eine, die er gerne hört: „Wie ist dein Weg?“ Daraus, so hat er erfahren, ergeben sich „tolle Gespräche“.

Kazim, so bekräftigte er gegenüber Cheema und Mendel, lässt sich nicht gern vereinnahmen. Wenn, wie geschehen, ein in Deutschland lebender Türke ihm vorwirft, er sei kein richtiger Pakistani, weil er nicht dem Islam angehöre, nicht einmal einer anderen Religion, etwa dem Christentum, und ihm ebenso das Deutschsein abspreche, dann ärgere ihn das.

Wenig erfreut war er auch über Gespräche mit Nina, einer Antirassismus-Aktivistin, die behauptet, weiße Menschen seien per se rassistisch. Sie habe sich sogar in die These gesteigert, dass nur eine Gesellschaft ohne Weiße nicht rassistisch sein könne. Darüber hinaus hat Kazim Frauen kennengelernt, die behaupten, wenn ein Mann einen Raum betrete, sei das bereits eine Bedrohung.

Man merkt: Da sind ursprünglich gut gemeinte Debatten aus dem Ruder gelaufen. Saba-Nur Cheema beklagte denn auch, die Debatte über Rassismus in unserer Gesellschaft werde oberflächlich geführt. Sie berücksichtige nicht den strukturellen Rassismus, zum Beispiel im Bildungswesen. Hazim fügte: Auseinandersetzungen seien nicht mehr erwünscht.

Zumindest eine kleine Debatte habe sich jedoch ergeben, als Kazim auf seiner Reise mit einer Frau aus Mecklenburg-Vorpommern ins Gespräch kam, die ihr Auto mit einer AfD-Plakette versehen hatte. Diese Frau aus dem vormaligen Gebiet der DDR hatte 1990 erst SPD, später die Grünen gewählt. Als das verunglückte, schlecht kommunizierte Heizungsgesetz den kleinen Leuten finanzielle Leistungen abverlangte, die sie nicht erbringen konnten, fragte sich die Bürgerin: Wen wähle ich, wenn ich unzufrieden mit der Regierung bin? Ihre Antwort war: AfD. Hazim schließt daraus, nicht alle AfD-Wähler seien rechtsextrem, man könne sie zurückholen. Schon gar nicht könne man alle „Ossis“ als rechtsextrem einstufen, „das ist einfach unfair“.

Erst die sich anschließende Diskussion des Podiums mit den Zuhörern im Saal entlockte Hazim doch noch eine Antwort auf die zentrale Frage des Abends. Deutschland werde zusammengehalten durch (unter anderem) Grundgesetz, Küche, unsere Geschichte, unsere Art zu leben, Vielfalt und vor allem durch die Sprache. Er bedauerte, dass die Kirchen keine Rolle mehr in der Gesellschaft spielen: „Der Mensch braucht etwas, woran er sich festhalten kann. Wenn er das bei den Kirchen nicht mehr findet, sucht er sich etwas anderes.“