22 000 Krefelder in Billigjobs

Hartz IV, Minijobs oder Leiharbeit — immer mehr Familien sind auf Leistungen des Staates und der Stadt angewiesen.

Krefeld. Ausdruck von Armut muss nicht nur das Durchwühlen von Mülltonnen nach Leergut oder Essbarem sein. Armut kann sich auch im Blick eines Kindes widerspiegeln, das aus Geldmangel nicht an der Klassenfahrt teilnehmen kann.

Mit den vielen Facetten des Themas setzt sich derzeit das Krefelder Sozialbündnis in einem Aktionsmonat auseinander. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) trägt dieses Bündnis mit. Die WZ sprach mit dem Kreisvorsitzenden Ralf Köpke.

Die Schere zwischen Arm und Reich, klagt der Gewerkschafter, sei in den letzten 15 Jahren „massiv auseinander gegangen.“ Da es für Krefeld keine genaue Statistik über den Vermögensstand gibt, verweist der DGB auf den Reichtum in Deutschland. „Der liegt bei über 4,7 Billionen Euro. Theoretisch hätte damit jeder Krefelder 60 000 Euro zur Verfügung.“

Theoretisch. „Denn die Bruttolöhne der ärmsten 30 Prozent der Bevölkerung sind von 2000 bis 2010 um 20 Prozent gesunken“, stellt Köpke fest. Das betreffe auch die Reallöhne der Beschäftigten. „Seit den Hartz-IV-Gesetzen sind alle Formen der Beschäftigung liberalisiert worden — Leiharbeit, Kombilohn, Minijobs, Niedriglohn.“

In Krefeld habe dies dazu geführt, dass 22 000 Menschen gezwungen sind, in schlechten und unsicheren Jobs zu arbeiten. Das sei knapp ein Viertel aller Beschäftigten und rund 45 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Köpke: „Davon haben fast 7000 Vollzeitbeschäftigte einen Minijob neben der regulären Beschäftigung, um über die Runden zu kommen.“

Die Zahl der Leiharbeiter mit einem Brutto-Durchschnittsverdienst von 1350 Euro betrage derzeit 2700. Teile der Arbeitgeber ignorierten bestehende Tarifverträge, betrieben systematisch das Modell des Kombilohnes.

Der DGB-Chef: „Sie zahlen derart niedrige Löhne, dass der Staat und die Kommune noch Leistungen oben drauf legen müssen, damit die Beschäftigten zumindest das Hartz IV-Niveau erreichen.“

Die Stadt Krefeld, rechnet Köpke vor, müsse jährlich vier Millionen Euro für die sogenannten Aufstocker aufwenden. „Eine Summe, die über den Umweg Kommune der Allgemeinheit abgeknöpft wird“, schimpft Ralf Köpke.

Derzeit liege diese Zahl in Krefeld bei 1800 Vollzeitbeschäftigten und 4900 Menschen, die erwerbstätig sind und trotzdem staatliche Leistungen in Anspruch nehmen müssen.

Dazu kämen die Aufwendungen für die seit Jahren konstante Zahl von rund 28 500 Arbeitslosengeld-II-Beziehern Köpke: „Dazu gehört in Krefeld mehr als jedes fünfte Kind.“ Ohne Zuschüsse aus Steuereinnahmen würden heute zwei von fünf Personen in Armut leben, konstatiert Köpke. „Das wären 40 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung.“