Mennonitenkirche Aeham Ahmad: Der Pianist aus den Trümmern

Krefeld · Der Palästinenser wurde in einem der weltgrößten Flüchtlingslager geboren und lernte dort schon als kleiner Junge, an die Kraft der Musik zu glauben.

Hier befindet sich Aeham Ahmad an einem seiner liebsten Orte – dem Flügel.

Foto: Fischer, A. (f22)/Fischer, Andreas (f22)

Ein Mann spielt Klavier inmitten von Kriegstrümmern. Dieses Bild des aus Syrien stammenden Palästinensers Aeham Ahmad geht um die Welt. Als seine Heimatstadt Jarmuk schon fast komplett zerstört ist, spielt er auf der Straße Klavier und singt mit Kindern Lieder über den Krieg.

Aeham Ahmad wird als Palästinenser staatenlos in einem der größten Flüchtlingslager der Welt in Damaskus geboren. Früh lernt er von seinem Vater das Klavier spielen. Als 2011 der Krieg in Syrien ausbricht, schiebt er sein Klavier auf die Straße und spielt gegen den Krieg und für die Hoffnung. 2015 muss auch er flüchten. In Deutschland findet er Zuflucht und Menschen, die ihm helfen. Für seinen Einsatz für die Kinder und Menschen in Jarmuk bekommt er den internationalen Beethoven-Preis für Menschenrechte verliehen. Mit seinen Liedern und seiner 2017 veröffentlichen Biografie ist er in Deutschland und Europa unterwegs und erzählt seine Geschichte. Am 17. November kommt Aeham Ahmad nach Krefeld.

Herr Ahmad, was bedeutet das Klavierspielen für Sie?

Ahmad: Die Musik und das Klavierspielen sind mein Leben. Damit bestreite ich meinen Lebensunterhalt und den meiner Familie.

Wie sind sie zur Musik gekommen?

Ahmad: Mit fünf Jahren brachte mir mein Vater das Klavierspielen bei, von da an übte ich täglich. Später, als Musiklehrer, habe ich die Freude an der Musik an meine Schüler weitergegeben.

Was kann die Musik gegen Krieg und Terror ausrichten?

Ahmad: Musik kann den Terror und den Krieg nicht stoppen, aber sie kann uns Menschen viele positive Gedanken und Ideen schenken. Jeder Aufstand und jede Revolution hat eine musikalische Reaktion hervorgebracht. Musik gibt uns Mut und kann gerade in schwierigen Situationen positive Kräfte in uns freisetzen.

Sie sind 2015 aus Jarmuk geflohen, wie geht es Ihnen heute?

Ahmad: Ich kam beladen mit großen Problemen und Schuldgefühlen gegenüber meiner Familie und meinen Eltern nach Deutschland. Ich habe sie ohne Hilfe zurückgelassen. Es war eine sehr schwierige Zeit für uns alle. Nun geht es mir gut. Es ist mir gelungen, meine Frau und meine beiden Söhne und auch meinen blinden Vater und meine Mutter in Sicherheit zu bringen.

Wo leben Sie heute?

Ahmad: Wir leben alle zusammen in einem Haus in Warburg. Die Kinder gehen zur Schule. Wir können ein geordnetes und friedvolles Leben führen. Und das habe ich mir so sehr gewünscht, vor allem für meine Kinder.

Können Sie sich vorstellen, irgendwann wieder nach Jarmuk zurückzukehren?

Ahmad: Jarmuk ist komplett zerstört. Dort kann keiner mehr leben. Und die syrische Regierung, sollten wir je eine demokratisch gewählte bekommen, hat kein Interesse an uns Palästinensern. Wenn, dann wollen sie mit Syrern das Land wieder aufbauen, aber nicht mit Flüchtlingen aus Palästina, Irak oder Afghanistan. Aber natürlich würde ich gerne den Ort, an dem ich geboren wurde, aufgewachsen bin und 29 Jahre meines Lebens verbracht habe irgendwann einmal wieder besuchen.

Welche Lieder werden die Besucher Ihres Konzertes in Krefeld von Ihnen hören?

Ahmad: Ich singe und spiele keine Lieder im herkömmlichen Sinne. Die Musikstücke, die ich am Piano präsentiere, sind ein vokaler Ausdruck meiner Gefühle und Erfahrungen. Ich mixe Jazz und klassische Musik, und kombiniere sie mit meinen eigenen Kompositionen. Acht bis zehn dieser Stücke werde ich bei dem Konzert spielen. Und ich werde die Zuhörer einladen mit mir zu singen. So werden sie Teil des Konzertes.

Bei Ihrem Auftritt in Krefeld werden auch Teile Ihrer Biografie vorgelesen. Wie ist es für Sie, Ihre eigene Geschichte immer wieder zuhören und dadurch in die Vergangenheit versetzt zu werden?

Ahmad: Ich fühle dabei eine große Traurigkeit. Ich erlebe jede Situation wieder und wieder. Und wie ein Trauma ist die Vergangenheit wieder präsent. So hart es für mich persönlich ist immer wieder mit meiner Vergangenheit konfrontiert zu werden, so wichtig ist es mir, diese Geschichte zu erzählen. Weil es nicht nur meine Geschichte ist, sondern die von Millionen geflohener Menschen.

Was für eine Botschaft wollen Sie den Menschen vermitteln?

Ahmad: Meine Botschaft ist „Music for Peace“. Menschen zusammen zu bringen, zusammen zu singen, all diese Geschichten zu erzählen. Auch meine Auftritte in Kirchen sind eine Botschaft. Manchmal spiele ich mit einem Trio, einer von ihnen ist Jude, ich bin Moslem und wir spielen alle zusammen in Evangelischen, Orthodoxen oder Katholischen Kirchen.