Rettungshundestaffel Krefeld Wenn jede Minute zählt

Krefeld · Die Rettungshundestaffel Krefeld probt auf einer Abriss-Baustelle mit „Lucky“ den Ernstfall.

Sabine Mohren weist Lucky bei der Übung auf der Abriss-Baustelle an der Ecke Sternstraße/Nordstraße an.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Fritz ist verunglückt. Irgendwo in dieser Ruine muss er sein. Doch nur wo, zwischen all den Trümmern? Es muss schnell gehen. Jede Minute zählt. Und so haben sich die Mitglieder der Freien Rettungshundestaffel Krefeld im Polizeipräsidium zu einer kurzen Lagebesprechung versammelt. Gleich geht es raus in die Eiseskälte an diesem Januarabend. Das Technische Hilfswerk wird kommen, den Trümmerort in der Innenstadt taghell erleuchten. Und sie, die Vierbeiner, sollen den Verunglückten finden.

„In der Trümmerlage kommen Gerüche irgendwo her“

Für die Menschen ist dies nur eine Übung, für die Rettungshunde aber ist jeder Einsatz gleich. Sie ahnen nicht, dass sie nur zu einer Simulation geführt werden.

Fritz, das ist an diesem Abend Sabine Wahl, seit acht Jahren mit ihrem Hund Henry Mitglied im Verein der Rettungsstaffel. Sie hat sich schon eine halbe Stunde zuvor auf die Abriss-Baustelle an der Nordstraße begeben, fünf Minuten entfernt vom Polizeipräsidium, und sich unter Geröll versteckt. Sie gilt es zu finden. Die Hunde sollen lernen, in Trümmern Menschen zu riechen, zu orten. Das sei etwas ganz anderes als in sonstigen Übungen wie künstlichen Gegenständen, wie Ulf Tabbert, Organisator der Übung, sagt: „In der Trümmerlage kommen Gerüche irgendwo, hier und dort her.“ Der Hund muss differenzieren.

Die Hunde werden nach der Rückkehr euphorisch gelobt

Einzeln werden die Hunde vom Ruheort im Präsidium am Nordwall zur Baustelle geführt. Am Ort der Trümmer sei es dauerhaft zu unruhig. Dann geht es los. „Such und hilf““ ruft Einsatzleiterin Sabine Mohren zu ihrem Gefährten Lucky. Er läuft los, schnuppert, macht kehrt, junkt, läuft aufgeregt hin- und her, kreist das Ziel dann aber immer mehr ein. Noch sucht er einen Weg hinunter in den Keller über das Geröll. Der Abhang ist zu steil. Lucky versucht es an anderer Stelle. Man merkt, dass er weiß, wo er hin muss. Er hat eine Fährte aufgespürt. Langsam aber sicher steigt er hinab in den Keller, bellt. Sabine Mohren nähert sich nun von außen dem Loch, sie wird mit einem Rettungsseil gesichert, markiert eine Stelle, wo der Hund angeschlagen hat. Es dauert jetzt nur noch wenige Sekunden, bis Lucky Fritz gefunden hat.

Lautes, andauerndes Bellen schallt durch die Abendstimmung. Übung bestanden. Neugierig blicken auch Nachbarn durch die Fenster und vom Balkon auf die hell erleuchtete Baustelle. Sie wissen in dem Moment wohl nicht, dass hier nur eine Übung läuft. Genauso wenig wie die Hunde, die nach der Rückkehr an die Oberfläche von ihren Führern euphorisch gelobt werden. „Sonst ist er frustriert. Er will sein Lieblingsspielzeug oder ein Leckerchen“, sagt Ulf Tabbert, der früher für die Feuerwehr und THW gearbeitet hat.

Pro Jahr wird die Staffel fünf-
bis zehnmal zur Hilfe gerufen

Sabine Mohren, im Hauptberuf Zöllnerin, freut sich enthusiastisch. Das gräbt sich ein beim Hund. Keine fünf Minuten hat Lucky gebraucht, um Fritz zu finden. Schnell muss es gehen, denn die sensible Hundenase setzt sich im Staub schnell zu, wie die Mitglieder der Rettungsstaffel erzählen.

Pro Jahr wird die Krefelder Rettungshundestaffel fünf bis zehnmal zu Hilfe gerufen, sagt Silke Unger. Sie ist seit 1999 dabei und Vorsitzende des Vereins, der sich aus eigenem Engagement speist. Finanzielle Unterstützung durch Behörden bekomme das 20-köpfige Team nicht. Es hofft auf Spenden. Im Umkreis von 100 Kilometern ist die Gruppe im Einsatz, auf Flächen, Trümmern oder sogar auf dem Wasser, wenn dort nach Leichen gesucht wird. „Hunde können auf dem Wasser bis zu 30 Meter tief orten“, sagt Unger.

Ein schönes Erlebnis seien die Einsätze für die Helfer nie, erzählt die Vorsitzende. In Neuss suchten sie einmal zwei Tage lang einen vermissten Demenzkranken – erfolglos. Der Mann wurde später außerhalb des Gebiets tot aufgefunden. „Das nimmt einen mit“, sagt Unger. Das lange Warten der Angehörigen. Die erfolglose Suche. Selten finde man eine vermisste Person lebend. Die Aufspürung kann längstens zwei bis drei Tage andauern. Viele Dinge erschweren die Aufgabe. „Hitze tötet den Geruch. Zumal ist immer die Frage: Läuft die Person herum. Der Hund riecht Hautschuppen, die der Mensch ständig verliert“, sagt Silke Unger.

Die Rettungsstaffel ist froh, dass sie die Chance erhält, auf der Baustelle zu üben. Lange Zeit probte die Gruppe auf künstlichen Aufschüttungen in Kempen oder auf dem Gelände von Siempelkamp oder des THW. Doch diese Zeit ist vorbei. Gibt es irgendwo eine Trümmerlandschaft, dann ist die Rettungshundestaffel meist nicht weit.