Interview Neustart der Wirtschaft ist die erste Aufgabe

Krefeld · Im Vorfeld der Kommualwahl war Christian Lindner, Partei-Vorsitzender der FDP, in Krefeld.

 Christian Lindner im Gespräch mit WZ-Redaktionsleiterin Annette Ludwig.

Christian Lindner im Gespräch mit WZ-Redaktionsleiterin Annette Ludwig.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Herr Lindner, wie erleben Sie den Wahlkampf in Corona-Zeiten?

Christian Lindner: Es ist vieles anders. Aber immerhin geht es wieder los, und es gibt wieder Veranstaltungen. Und im Straßenwahlkampf werden die Kollegen kreativ: An den Info-Ständen reichen die Kollegen die Broschüren jetzt mit einer Grillzange an Interessierte weiter. Und es läuft viel online. Wobei hier die Frage ist: Erreicht man auch neue Leute, oder kommuniziert man doch immer nur an die eigene, bereits überzeugte Gemeinschaft? Gestern habe ich in einer Halle gesprochen, in die normalerweise 900 Menschen passen. In Corona-Zeiten sind es nur noch 150. Sie sitzen alle ein bisschen so wie in der Abi-Prüfung. Da ist es auch als Redner schwierig, Stimmung zu erzeugen. Die Wahlbeteiligung bei der vergangenen Kommunalwahl lag bei knapp 50 Prozent.

Haben Sie Sorge, dass Corona sie weiter drücken könnte – und wie wollen Sie die Wähler motivieren?

Lindner: Corona ist eine Ausnahmesituation, und die Menschen haben Angst um ihre Gesundheit. Es gibt viele mühsame Vorkehrungen im Alltag, um Infektionen zu verhindern. Aber was sollen die Leute in Minsk sagen, die trotz Polizeigewalt darum kämpfen, an der Entwicklung des Gemeinwohls mitwirken zu können? Wenn wir sehen, wie schwierig das dort oder in Hongkong ist, dann sollte unser Ehrgeiz sein, die Wahlbeteiligung vom letzten Mal trotz der Pandemie mindestens zu halten. Das ist eine Frage der Ehre. Und kein Land macht es den Menschen so einfach zu wählen wie wir. Bei uns gibt es ja noch die Briefwahl, die Herr Trump so sehr bekämpft.

Wenn Corona dazu führen wird, dass die Haushaltsmittel knapp werden, gibt es Forderungen, die Kommunen unter einen Corona-Schutzschirm zu führen. Halten Sie das für den richtigen Weg?

Lindner: Die erste Aufgabe, die wir haben, ist der Neustart der Wirtschaft insgesamt. Wir können immer über Hilfsmaßnahmen nachdenken, aber selbst in einem Staat wie der Bundesrepublik wird es nicht auf Dauer möglich sein, das wirtschaftliche und öffentliche Leben insgesamt mit Schulden am Laufen zu halten. Wir werden schon über gezielte Hilfen für Kommunen sprechen müssen, da wo es nötig ist. Aber der Ausgangspunkt muss sein, dass wir einen zweiten Lockdown verhindern und dass das wirtschaftliche Leben unter neuen Bedingungen stattfinden kann.

Was können das für Bedingungen sein, etwa für die Gastronomie oder für den Einzelhandel?

Lindner: Es sind die Hygiene- und Abstandsregeln im Alltag, die wir beachten müssen. Es ist die Nachverfolgung von Infektionsketten. Dafür muss das Gesundheitswesen funktionsfähig sein. An mancher Stelle wird noch per Fax gearbeitet. Und es gibt auch technische Lösungen, wie im Herbst und Winter mit bestimmten Luftfilteranlagen, die Aerosole herausfiltern, Innenräume der Gastronomie, aber auch der Schulen, sicher gemacht werden können. Das würde ich auch gerne wissenschaftlich vertieft in den Parlamenten diskutieren. Vielleicht gibt es dort die Möglichkeit eines Sonderförderprogramms für die Gastronomie, um diese speziellen Luftfilter leichter für Gastronomen einführ- und bezahlbar zu machen.

Was kommt auf die kommunalen Verwaltungen zu?

Lindner: Auf sie kommt in der Post-Corona-Zeit Einiges zu. Bei der Modernisierung der Schulen dürfen wir die Kommunen nicht alleine lassen, insbesondere der Bund muss handeln und den Digitalpakt geländegängig machen. Mir scheint das Nadelöhr vor allem die Bürokratie des Bundes zu sein. Wer Geld aus dem Digitalpakt haben möchte, muss 400 Seiten bearbeiten, und jede Schule braucht ein individuelles Medienkonzept. alu