Demenz: Die Ehefrau wird zur Pflegerin
Eleni Savvidou widmet ihr Leben ihrem kranken Mann. Nur die Tagespflege gibt ein wenig Raum.
Krefeld. Eleni Savvidou und Antonius Savvidis haben 1977 geheiratet. „Es war eine große Liebe“, sagt sie. Sie hatten eine gute Zeit, haben zwei Söhne groß gezogen, sich ein Haus gekauft. Heute sind sie noch immer verheiratet, doch ansonsten ist nichts mehr, wie es einmal war. Denn heute ist Antonius Savvidis dement, Pflegestufe 3, ein Härtefall, und Eleni nicht nur seine Ehefrau, sondern auch seine Pflegerin.
„Die Krankheit kam sehr schnell. Innerhalb von einem Jahr hat sich seine Situation stark verschlechtert“, erzählt Eleni Savvidou. Es fing damit an, dass ihr heute 67-jähriger Mann immer im Bad das Licht an und das Wasser laufen ließ. Zunächst wollten es beide nicht wahrhaben, besuchten zahlreiche Ärzte und hörten immer wieder dieselbe Diagnose: Demenz. Heute kann Antonius nichts mehr selbständig machen. Sogar die deutsche Sprache hat der gebürtige Grieche vergessen. Seine 52-jährige Frau muss ihn füttern, ihm zu trinken geben, mit ihm auf die Toilette gehen, ihn an der Hand führen.
„Mein Mann braucht viel Aufmerksamkeit. Er ist sehr auf mich fixiert und bleibt nicht allein“, sagt Elini Savvidou und streichelt ihrem Mann über die Hand. Dann sagt sie etwas auf Griechisch. Er lächelt, scheint aber gedanklich ganz woanders zu sein. Bei dem Gedanken an ihre gemeinsame Vergangenheit wird die ansonsten so taff wirkende Griechin doch emotional: „Es ist sehr traurig, ihn so zu sehen. Eine Welt ist zusammengebrochen. Heute denke ich immer nur an den nächsten Tag.“
Anfang des Jahres hat Eleni ihren Job als Reinigungskraft im OP aufgegeben, um sich auf die Pflege ihres Mannes zu konzentrieren. Zuvor hatte ihre 77-jährige Mutter während der Arbeitszeit auf Antonius aufgepasst. Doch Ende 2010 ging das nicht mehr, ihre Mutter wurde selbst zum Pflegefall, Eleni kündigte: „Ich war sehr gerne da, aber es musste ja sein.“
Mit ihrer Entscheidung ist sie nicht allein. In Deutschland werden rund vier Millionen Menschen von ihren Angehörigen gepflegt, davon rund eine Millionen ausschließlich von ihren Angehörigen. Tendenz steigend. In Krefeld gab es 2009 im Dezember 7583 Leistungsempfänger der Pflegeversicherung. Der größte Anteil von ihnen (50,5 Prozent) erhielt Pflegegeld. Das wird an Pflegebedürftige gezahlt, damit sie die Person bezahlen können, die sie zu Hause pflegt.
Unterstützung im Alltag bekommt Eleni einerseits von ihrem Sohn Niclas, der mit seiner Frau im Haus seiner Eltern wohnt. Damit sie wenigstens ein paar Stunden für sich hat, geht Antonius auch jeden Tag vier Stunden in die Tagespflege der Caritas. Für Eleni eine enorme Erleichterung. „Die Tagespflege verschafft den Angehörigen etwas Luft, denn auch sie müssen etwas für ihre Seele tun“, erklärt Petra Bobrowski, Pflegekraft in der Caritas-Tagespflege. In der Einrichtung wird mit den Bewohnern jede Menge unternommen. So wird zum Beispiel gebastelt, gebacken oder einfach nur gequatscht. „Viele Pflegende haben aber am Anfang Angst, ihre Angehörigen loszulassen und sie in unsere Obhut zu geben.“
Ihren Mann ganz in ein Heim zu geben, kam für Eleni Savvidou nie in Frage: „Solange ich das schaffe, werde ich meinen Mann pflegen.“ Einfach ist das für sie oft nicht. Bis auf die wenigen Stunden bei der Caritas betreut sie ihn und ihre Mutter rund um die Uhr. „Man hat quasi kein eigenes Leben mehr. Kino oder andere Freizeit kann man vergessen“, sagt sie. Laut Sozialverband VdK werden Angehörige mit Pflegestufe 3 im Schnitt 54,2 Stunden pro Woche gepflegt. Dabei ist vor allem die Dauerbelastung ein Problem. „Ich darf nicht krank werden. Dann funktioniert nichts mehr“, sagt Eleni.
Obwohl sie eine solche Last auf ihren Schultern trägt, hat sie ihren Lebensmut und ihre Hoffnung nicht verloren: „Ich bin sehr aktiv und versuche durch Therapien den Zustand meines Mannes etwas zu verbessern. Man muss es aber so hinnehmen, wie es ist.“