Die „Bagpipe“ am Niederrhein

Heimat der „Bagpipe“ sind die britischen Inseln. Doch auch am Niederrhein hat das Instrument viele Freunde gefunden.

Krefeld. Eigentlich ist der Dudelsack ganz einfach aufgebaut: Oben ist ein Mundstück (Blowpipe), in das man Luft pustet. Die strömt dann in den Sack (Bag), der sozusagen als Luftreservoir dient. Bei einem Rechtshänder wird dann mit dem linken Arm die Luft aus dem Sack in die vier Pfeifen gequetscht: in die drei langen, nach oben herausragenden Bordunpfeifen (Drones) und die nach unten weisende Melodie-Pfeife (Pipe Chanter). Alles klar?

Für Eva Schieferstein auf jeden Fall, denn die Lehrerin aus Kempen, die in Grefrath unterrichtet, spielt immerhin schon seit 2002 auf der „Bagpipe“, die bei uns schlicht Dudelsack heißt. Wie kommt eine Niederrheinerin dazu, den Schottenrock anzuziehen und Amazing Grace zu spielen? „Zufällig“, sagt Eva Schieferstein.

Foto: Klauke-PR

Über ihren Mann, einen Drummer (Trommler), lernt sie die „Wupper Distric Pipe Band“ kennen, deren Mitglieder aus den deutschen Highlands, aus Solingen und Umgebung, kommen. Sie übt zunächst auf der „Practise Chanter“, die ohne Bag und Drones auskommt und einer Blockflöte ähnelt.

Sie spielt in einer „mehr autodikatischen Gruppe“ im Bergischen, besucht Workshops und die in der Piper-Szene bekannte und von der „Bagpipe Assosiation of Germany“ organisierte Sommerschule in Breuberg im Odenwald. Da lernt sie Thomás Lápossy kennen, der sie in die heimischen Lowlands, den Niederrhein, nach Xanten einlädt. Lápossy ist dort Pipe Major, also Dudelsackspieler mit höheren Weihen.

Die Band heißt „German Lowland Pipes & Drums“, probt in Xanten, rekrutiert ihre Mitglieder vom gesamten Niederrhein und ist, wenn man so will, doch tatsächlich insularen Ursprungs. Denn als die britische Royal Air Force noch Tornados und Harrier-Senkrechtstarter auf dem Militärflughafen Laarbruch (heute Flughafen Weeze) stationiert hatte, gab es dort auch eine Band: die „Royal Air Force Germany Voluntary Pipes & Drums“. Johannes Haase, heute Drum Major der Niederrheiner, wurde damals als erstes deutsches Mitglied in die Formation aufgenommen. Mit Werner van Gisteren, Bernd Spolders und Manfred Paul traten danach weitere Deutsche der Band bei. Nach dem Abzug der Briten 1994 bildeten die Vier die Keimzelle der deutschen Pipes & Drums.

Eva Schieferstein hält den Dudelsack für eines der anspruchsvollsten Instrumente: „Es kommt nicht nur auf das saubere Spiel auf der „Pipe Chanter“ an, die Koordination macht’s.“ Denn aus dem Sack sollte möglichst immer der gleiche Druck auf die Pfeifen wirken: „Bekommen die drei Drones, die den Dauerton erzeugen, nicht einen konstanten Luftstrom, fangen sie an zu jammern.“ Drückt man zu stark auf den Sack, gehen die Drones aus, produzieren keinen Ton mehr.

Da ein guter Dudelsack ein Naturprodukt ist und aus African Blackwood, dem Grenadill-Holz, gebaut wird, muss das Instrument vor dem Spiel gestimmt und während des Spiels nachgestimmt werden. In der Regel übernimmt das der Pipe Major (sieht dann für die unbedarften Zuhörer so aus, als ob er die Drones in den Sack schlägt). 800 bis 900 Euro muss man für einen guten Dudelsack rechnen. Wenn die Verzierungen aus Stering-Silber sind oder das Instrument eine „Geschichte“ hat, können es schnell 2000 oder 3000 Euro sein. Nur „Pakistanis“ aus Rosenholz kann es schon für unter 100 Euro geben — aber da rümpft der erfahrene Piper die Nase. Und für die komplette Montur (die Schuhe sind besonders teuer) kommen noch knapp 1000 Euro dazu.