Die Suche nach der toten Tante
Angehörige rätseln, wo der Leichnam beigesetzt wurde. Die Stadt Krefeld kann es nicht beantworten.
Krefeld. Karin Lemke (Name von der Redaktion geändert) quält seit Jahren eine Frage: Wo hat ihre Tante denn nun wirklich ihre letzte Ruhe gefunden? 1989 war sie auf dem Krefelder Hauptfriedhof bestattet worden, auf der linken Hälfte eines Doppelgrabs. Wahrscheinlich jedenfalls.
Denn Karin Lemke hat daran große Zweifel und beklagt: Die Stadt Krefeld verweigere die Auskunft darüber, ob der Leichnam der Tante wirklich an der Stelle beerdigt ist, von der es die Angehörigen jahrelang glaubten. Der bizarre Streit wird ab dem 15. März das Oberverwaltungsgericht in Münster beschäftigen.
An einem Tag im Jahr 2001, als die Mutter von Karin Lemke auf der anderen Hälfte des Grabes bestattet werden sollte, hatte die trauernde Tochter eine schlimme Entdeckung gemacht: Vor der Trauerfeier ging sie zu dem Grab und sah im Aushub Körper- und Kleidungsteile, die ganz offensichtlich von ihrer Tante stammten. Fassungslos fragte sie nach der Beerdigung - das frische Grab war nun bereits geschlossen - bei der Friedhofsverwaltung nach.
Dessen Mitarbeiter hatten die Knochen nach den bisherigen Erkenntnissen auch gesehen. "Sie erhielt die Antwort, dass die Überreste auf den Sarg der soeben beigesetzten Mutter gelegt worden seien", erklärt Ulrich Lau, Sprecher des Oberverwaltungsgerichts in Münster. Das aber habe der Frau nicht ausgereicht: "Sie verlangte Auskunft darüber, was mit dem Leichnam ihrer Tante passiert war."
"Diese Auskunft verweigert die Stadt Krefeld", so der Jurist. Es stelle sich die Frage, ob der Körper nach 1989 noch einmal bewegt wurde oder ob die Bestattung von vorneherein nicht so erfolgt ist, wie sie sollte. Weil sie ihre Fragen von der Stadt nicht beantwortet sah, zog Karin Lemke vor das Düsseldorfer Verwaltungsgericht - und scheiterte dort 2003.
Sie gab nicht auf, weshalb das Verfahren seit 2006 in Münster anhängig ist. Für den 15. März hat das Oberverwaltungsgericht jetzt neun Zeugen - alle in Frage kommenden Mitarbeiter - geladen. Darunter ist auch Oberbürgermeister Gregor Kathstede persönlich, wie Ulrich Lau bestätigt.
Gegenüber unserer Zeitung erklärte Stadtsprecher Timo Bauermeister, dass die Stadt Krefeld selbstverständlich zu einer Auskunft gegenüber Karin Lemke bereit sei. "Die betreffenden Mitarbeiter haben jedoch nach eigenem Bekunden keine Kenntnis darüber, wo die sterblichen Überreste der Verstorbenen sein könnten", so Bauermeister.
Man habe sogar angeboten, die Nachbargrabstelle zu öffnen, an der Karin Lemke ebenfalls die Nutzungsrechte habe. So hätte laut Bauermeister die Möglichkeit ausgeschlossen werden können, dass die Beerdigung im Jahr 1989 vielleicht versehentlich dort erfolgt ist. "Das hat die Klägerin abgelehnt."
Nun wird das Gericht nach einer Antwort suchen.