Natur Diskussion über Baumbeschnitt

Die radikalen Schnitte gefallen nicht jedem.

Krefeld. Die Pflege von Krefelds Bäumen hat Landschaftsgärtner Arnd Meyers, Mitglied im Landschaftsbeirat der Stadt Krefeld, auf die Palme gebracht. „Ein Auslichtungsschnitt muss gemacht werden, gerade bei jungen Bäumen“, sagt Meyers. „Nur muss der unbedingt zur Säule werden? Ein Geselle wäre damit bei mir durchgefallen.“

Auch Meyers ist bewusst, dass die Stadt eine Verkehrssicherungspflicht hat, also Menschen und Sachen vor herabfallenden Ästen oder umfallenden Bäumen schützen muss, „aber mitten in Landschaftsschutzgebieten kann man die Bäume auch wachsen lassen“. Stattdessen habe die Allee an der Maria-Sohmann-Straße gelitten. „Die Bäume sind verschnitten, es braucht Ewigkeiten, um sie wiederherzustellen“, sagt Meyers. Auch an der Werner-Voß-Straße stünden nun „schöne Säulen“. Ein so „krasser Schnitt“ sei beim Anwuchs notwendig, „aber nach zehn Jahren brauchen Bäume keinen Pflanzschnitt. Das ist übers Ziel hinausgeschossen.“ Viel Arbeit und Pflegestunden würden investiert, „herausgeschmissenes Geld. Einen Obstbaum muss man radikal auf Ertrag schneiden, aber keine Eichen und Linden.“

Franz Filtmann, Sachgebietsleiter Straßenbäume bei der Stadt Krefeld, und Grünflächenamtsleiter Heino Thies beurteilen die Situation in Krefeld völlig anders: Seit Jahren, sagt Filtmann, sei nur Geld für „Feuerwehreinsätze“ im Haushalt gewesen. Das änderte sich 2015 — „endlich“. 500 000 Euro stehen zur Verfügung, so dass sich zwölf Fachleute endlich um Prophylaxe und Jungbaumpflege kümmern können. „Viele Jahre wurde es versäumt. Wir haben versucht, das aufzuholen.“

Für Baumpfleger stellten sich die Fragen anders als für Landschaftsgärtner, sagen Thies und Filtmann. Baumpfleger achteten sehr auf Sicherheit. Starke Seitenäste ließen die Krone verhungern, schwere Seitenäste entwickeln sogenannte Unglücksbalken, wie Risse. „Die wollen wir nicht sehen“, sagt Heino Thies.

Heino Thies

Seitenäste werden abgeschnitten, weil sie neben der Schwächung der Krone auch ein hohes Risikopotenzial hätten. Der Ast könne aufplatzen, was ihn anfällig für Schädlingsbefall mache. Thies: „Wir sorgen mit dem Schnitt für Jahre vor.“

Natürlich, sagen beide, waren die Baumpfleger spät dran. „Wir haben keine Jungbaumpflege, sondern sozusagen Halbstarkenpflege betrieben“, sagt Filtmann. Aber auch das lohne. Denn es gehe eben nicht nur wie an der viel befahrenen Duisburger Straße — um den Schutz der Menschen. An der Maria-Sohmann-Straße und in Schutzgebieten ginge es auch darum, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Linden 100 bis 150 Jahre alt werden können. „Aus Sicht der Baumpfleger muss man so handeln, um langfristig einen gesunden und vitalen Baum zu haben.“ Der „Erziehungsschnitt“ diene dazu, den Baum zu überzeugen, sich dem Standort anzupassen, so formuliert das Thies. Man hätte diese Pflegeschnitte früher machen oder früher wiederholen müssen, „aber besser spät, als gar nicht“.

Was ihm und seinen Kollegen in der Region wichtig ist: „Wir versuchen, unsere Bäume klimafest zu machen.“ Das heiße neuerdings auch, Asttriebe in der Krone zu lassen. Nur am Stamm werden Quertriebe beschnitten, wo es sein muss. „Sie machen die Krone dichter, die kommt dann besser mit dem Sturm klar.“

Es sind Erkenntnisse wie diese aus dem Sturm Ela, die die städtischen Baumpfleger antreiben. Bäume, haben sie gelernt, müssen in der Krone schlanker gehalten werden, um ausladende Äste zu vermeiden, die bei Sturm eine Hebelwirkung haben können.

Ein Trost für manchen: Nicht in jedem Jahr werde ein solch radikaler Schnitt gemacht wie jetzt an manchen Stellen im Stadtgebiet, sagt Thies, denn: „Die Bäume lernen.“ Wenige Jahre nach einem Radikalschnitt sei davon nichts mehr zu sehen.

„Ein Baum, der gerade beschnitten ist, sieht manchmal fürchterlich aus“, sagt auch Heino Thies. „Aber wir erziehen die Bäume und schaffen die Grundlage für eine optimale Astverteilung.“

wz.de/krefeld