Traditionsbrauerei "Vergiss es nie — Dein Tivoli!"
862 wurde die Brauerei Tivoli am Inrath an der Hülser Straße gegründet — vor 30 Jahren war Schluss bei der Traditionsbrauerei.
Krefeld. Im Jahr 1986, vor 30 Jahren, schlossen sich im Inrath die Tore der Traditionsbrauerei Tivoli. Die genauen Gründe für die Schließung sind bis heute nicht bekannt. Vermutlich sind sie in der „Marktbereinigung“ der großen Getränkeplayer zu suchen. Trotzdem erinnern die Inrather Bierliebhaber noch heute „em Ennert“ (Inrath) an den alten Werbespruch des Inrather Nationalgetränks: „Vergiss es nie — Dein Tivoli“.
In der Endphase belieferte Tivoli in der Region bis zu 500 Gaststätten. Zuletzt arbeiteten 1986 an der Hülser Straße 117 Menschen. 40 wechselten zu Schlösser nach Düsseldorf, für die anderen wurde ein Sozialplan in Höhe von 2,6 Millionen Mark ausgehandelt. Abgerissen wurden die Gebäude im August 1990. Später siedelte sich auf dem 23 000 Quadratmeter großen Gelände der Möbelmarkt Roller mit einem wuchtig-nüchternen Funktionalbau an.
Christoph Dautermann, Vizemuseumschef in Linn und anerkannter Gerstenbräu-Historiker, hat in dem Buch „Inrath, Werden und Leben eines alten Krefelder Stadtteils“, erschienen 2005, die Tivoli-Geschichte aufgearbeitet. Der Wirt Theodor Neu legte 1862, vor 154 Jahren, den Grundstein für die Brauerei. Theodors Sohn Jacob Neu, Brauer von Beruf, übernahm den Betrieb und begann 1870 auf dem Nachbargrundstück 396 mit dem Bau einer großen Brauerei, der er den Namen „Tivoli“ nach einem beliebten Aus-flugsziel in der Nähe von Rom gab.
Aus nicht bekannten Gründen verkaufte Jacob Neu 1874 die noch nicht ganz fertiggestellte Brauerei an die Kaufleute Johann Wilhelm König und Paul Hoffmann (Dortmund/Stettin).
Die beiden Kaufleute versuchten, untergäriges Bier am Niederrhein zu etablieren. Dafür wurden in den folgenden Jahren ein neues Sudhaus, eine Schankhalle und ein unterirdischer Eiskeller errichtet. Damit aber hatten sie keinen Erfolg und mussten Konkurs anmelden. Neuer Besitzer der Brauerei wurde 1884 (andere Quellen sprechen von 1878) der Hopfenhändler Bernhard Bing aus Nürnberg.
Er holte die Braumeister August Burckhardt und Otto Greiff, die die Brauerei sanierten. 1881 übernahmen sie die Brauerei dann selbst. Sie machten daraus einen modernen und erfolgreichen Betrieb. 1889 gründeten sie die „Aktiengesellschaft Brauerei Tivoli“. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Fuhrpark der Brauerei über drei Bierwagen, Pferdekarren, Eiswagen, Biertransportwagen, sechs Pferde und diverse Stallutensilien.
Die Jahre bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 kann man als die eigentliche Blütezeit von Tivoli bezeichnen. Aus dieser Zeit dürfte auch das alte Logo der Brauerei stammen. Es zeigt einen Mönch mit einem Bierkrug in jeder Hand. Das lässt auf das nicht weit entfernte Kapuzinerkloster schließen, das sich 1891 im Inrath ansiedelte.
Neubauten entstanden, die Produktionszahlen und die Zahl der belieferten Gaststätten stiegen. Auf der Hoch-, nahe der Mittelstraße in Krefeld, öffnete die brauereieigene „Gaststätte Tivoli“. 1917 fusionierte Tivoli mit der Aktiengesellschaft Schwabenbräu Düsseldorf.
Die Nachkriegsgeschichte von Tivoli ist schnell erzählt: Über die Dietrichbrauerei führte die Entwicklung 1968 zur Fusion mit der Dortmunder Union-Brauerei. Tivoli blieb jedoch ein eigenständiger Betrieb. 1972 wurden Tivoli und Schwabenbräu von Schlösser in Düsseldorf gekauft. Schlösser wiederum fiel im Zuge der Braufusionen und -konzentrationen und des großen Brauereisterbens an die Dortmunder Union, später Brau und Brunnen.
Am 30. September 1986, vor fast genau 30 Jahren, musste Tivoli die Tore schließen. Vier Jahre später wurde das vierstöckige Hauptgebäude mit Sprengstoff in die Luft gejagt, die anderen Bauten abgerissen. Dautermann: „Damit war ein wesentlicher Teil Inrather Industriegeschichte und Inrather Identität beendet.“