Demenz Eine prall gefüllte Wundertüte gegen das Vergessen

Die Mediothek stellt ein neues Angebot vor, das sich ganz speziell an den Bedürfnissen von Demenz-Kranken orientiert.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Diese Tasche hat‘s in sich. „Nicht Vergessen“ steht in großen Lettern darauf. Gemeint sind hier nicht die Bonuspunkte an der Kaufhaus-Kasse, sondern die Prozesse, die sich im Kopf eines an Demenz erkrankten Menschen vollziehen.

In der Tasche, die seit Donnerstag in der Mediothek ausgeliehen werden kann, befinden sich sechs Medien, die das Erinnern anregen und die Betreuung von Betroffenen erleichtern sollen. Mediothek-Chef Helmut Schroers, der bei der Vorstellung des Projekts sein letztes offizielles Pressegespräch vor dem Schritt in den Ruhestand hatte, waren eigene Erfahrungen im Verwandten- und Bekanntenkreis ausschlaggebend für die Ausarbeitungen für „Nicht Vergessen“. „Das hat mich sehr beeindruckt.“

Seine Mitarbeiterin Marie-Theres Eßer-Ehmke verweist zudem auf Beispiele anderer Städte wie Düsseldorf, wo eine Medienkiste zur gleichen Thematik angeboten wird. „Aber es sollte auch handlich sein, leicht zu transportieren, nicht so sperrig wie eine Kiste“, erklärt Schroers das „Krefelder Modell“.

Demenzkranke verlieren über Jahre mehr und mehr ihr Gedächtnis, lassen die Welt um sie herum langsam hinter sich. Heilung von der Krankheit gibt es nicht — nur Hilfsmittel. „Die Taschen sind voller Schlüssel in die Welt, in der sich Demenz-Kranke bewegen“, sagt Schroers. Eßer-Ehmke erklärt, dass insbesondere die Musik ein Medium sei, „die in diese Dämmerung dringen kann.“

Dafür gibt es das „Liesl Buch“ aus dem gleichnamigen Verlag, das zum Mitsingen anregt mit Liedern, an die die meisten Menschen sich irgendwie erinnern. Lieder wie „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“ sind dort zu finden oder „Auf, Du junger Wandersmann“ oder „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Eßer-Ehmke: „Das gemeinsame Singen soll zum Erleben führen und zum Erinnern.“ Die sechs Elemente, die für einen Euro pro Monat ausgeliehen werden können, enthalten außerdem drei Vorlesebücher, das Liederbuch, ein Puzzle oder eine Stick- oder Bildkarte mit Motiven, die das Erinnerungsvermögen stärken sollen.

Dazu kommt ein Buch mit Anregungen zur Beschäftigung der Kranken. „Eine wahre Wundertüte“, sagen die Bibliothekare. Das neue Angebot ist Teil der seit Jahren gepflegten Sparte 55 Plus, mit der die Mediothek die wachsende Gruppe älterer Menschen bedienen möchte. „Im kommenden Herbst wird es eine Reihe von Neuerscheinungen zum Thema Demenz in den Verlagen geben“, kündigt Eßer-Ehmke an. „Die bauen wir dann gegebenenfalls in die Taschen mit ein.“ Helmut Schroers: „Mit der demographischen Entwicklung der Bevölkerung geht auch eine verstärkte Nachfrage nach speziellen Medien einher. Ich bin sicher, meine Nachfolge wird das berücksichtigen.“