Nächstenliebe in der Pandemie „Könn‘ Se mir nicht mal ein paar Plätzkes besorgen?“

Wuppertal · Seelsorger und Mitarbeiter in Krankenhäuser sind in Zeiten der Corona-Pandemie oft Ersatz für Angehörige – und Menschen, die niemanden haben. Hier schildern sie ihre Eindrücke.

Christina Falkenroth ist Krankenhausseelsorgerin im Petruskrankenhaus und in St.Josef, Jochen Sprengel ist Krankenhausseelsorger im Heliosklinikum.

Foto: Kirchenkreis Wuppertal

Die erste Frage eines Patienten bei einem Seelsorge-Besuch in der Klinik: „Könn‘ Se mir nicht mal ein paar Plätzkes besorgen?“Der alte Herr liegt seit Wochen in diesem Zimmer auf der „Corona-Station“, er ist positiv, der Wert geht einfach nicht herunter, zum Glück keine Symptome. Der Nachttisch sieht aus wie bei jemandem, der nicht besucht wird: keine Blumen, keine Karte, kein Gebäck, kein Saft, kein Telefon. Genauso, wie er ins Zimmer gebracht wurde.

Beim Nachbarpatienten das gleiche Bild, in vielen anderen Zimmern auch. Die Patienten auf der Corona-Station erleben derzeit meist keine lebensbedrohlichen Verläufe, aber niemand erhält Besuch, das ist ja verboten.

Und doch unterscheiden sich die Patienten in ihrer Einsamkeit. Für die einen gibt es Zuwendung durch Familie, Freunde und Nachbarn, wenigstens aus der Ferne. Es wird telefoniert, geskypt, schöne Dinge werden an der Kliniktür abgegeben.

Manche Patienten, nicht nur auf der Corona-Station, erhalten noch nicht einmal „Plätzkes“, weil es niemanden gibt, der bereit oder in der Lage ist, etwas zu bringen, manchmal auch aus Angst vor einer Ansteckung. In dieser Pandemie zeigt sich viel Gutes und Mitmenschlichkeit, aber auch Angst und Egoismus.

Der alte Herr hat seine „Plätzkes“ bekommen – und Lakritz gab es auch, weil auch der Nachbarpatient eine kleine Bestellung aufgegeben hat. Für eine ältere Dame bringt eine Krankenschwester immer frisches Obst von zuhause mit. Die Psychologen haben Tablets besorgt, damit Videogespräche zwischen Patienten und Angehörigen möglich sind. Eine Schwesternschülerin liest einem Patienten etwas vor oder plaudert ein wenig. Eine Ärztin versorgt eine Patientin mit anspruchsvollen Zeitschriften und Kreuzworträtseln, weil sonst das „Gehirn verkümmert“, wie es die Patientin ausdrückt. Ein Pfleger versucht lange, das Fernsehgerät in einem Zimmer einzustellen. Das Stationstelefon wird für einen Anruf an einen Patienten gereicht. Das Leben im Krankenhaus hat in dieser Zeit viele Gesichter. Neben der extremen körperlichen und seelischen Belastung, unter der viele Mitarbeiter ihren Dienst tun, können viele doch mit offenen Augen auf die Bedürfnisse ihrer Patienten sehen.

Die Mitarbeitenden und wir Seelsorger*innen sind im Augenblick Stellvertreter für alle, die nicht zu ihren Angehörigen ins Krankenhaus dürfen. Kranke Menschen zu besuchen gehört zu einem Leben in Menschlichkeit und Nächstenliebe. In der christlichen Religion – wie auch im muslimischen und im jüdischen Glauben – gibt es die sogenannten „Werke der Barmherzigkeit“: Fremde beherbergen, Nackte kleiden, Hungrige speisen, Kranke besuchen, die Toten begraben.

Auch wenn Sie nicht selber Ihren Angehörigen und Freunden im Krankenhaus beistehen können, haben Sie doch Möglichkeiten, ihnen kreativ und aus der Ferne zu zeigen, dass Sie innerlich bei ihnen sind und sie nicht vergessen haben. Zum Beispiel mit Telefonaten oder kleinen Gaben, die an Zuhause erinnern. In jedem Krankenhaus können Sie diese an der Pforte abgeben.

Und wenn Sie merken, dass Ihr Angehöriger jemanden braucht, mit dem er in Ruhe sprechen kann, können Sie sich bei der Seelsorge melden. An der Telefonzentrale der Wuppertaler Krankenhäuser werden Sie an uns weitergeleitet oder finden unsere Nummer auf der Internetseite.

Christina Falkenroth ist Krankenhausseelsorgerin im Petruskrankenhaus und im Krankenhaus St. Josef, Jochen Sprengel ist Krankenhausseelsorger im Heliosklinikum