Interview Fall Adnan Harb: Bischof sagt Ja zum Kirchenasyl

Wegen „Gefahr in Verzug“ hatte die Pfarre von St. Anna Adnan Harb Unterschlupf gewährt. Nun hilft sie ihm in der Türkei.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Für Pfarrer Thorsten Obst, Rechtsanwalt Christoph Bückers vom Kirchenvorstand und Gemeindereferent Jochen Pesch von St. Anna ist es selbstverständlich, Adnan Harb und seiner Familie zu helfen. Die Gemeinde, die Teil der Pfarrei Heiligste Dreifaltigkeitigkeit ist, hatte dem 46-jährigen Libanesen Mitte März Kirchenasyl gewährt. Und sie hätte es auch ein zweites Mal getan — mit Zustimmung von Bischof Mussinghoff aus Aachen. Mit der WZ sprachen sie über ihre Beweggründe, ihr bis heute währendes Engagement und den rechtlichen Rahmen.

Wieso haben Sie Adnan Harb Kirchenasyl gewährt?

Thorsten Obst: Ein Bekannter von Herrn Harb hatte mich am 12. März mittags angerufen und gefragt, ob wir ihn aufnehmen würden. Er fürchtete die Abschiebung. Nach Telefonaten mit Herrn Bückers, der Rechtabteilung in Aachen und Herrn Pesch haben wir am Abend gesagt: Wir machen das! Am selben Abend haben wir Herrn Harb aufgenommen.

Es wurden danach Stimmen laut, die Kirche würde gültiges Recht beugen und Herr Harb wäre abgetaucht.

Christoph Bückers: Direkt am folgenden Morgen habe ich den Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde darüber informiert und ihn gefragt, ob er dazu noch etwas wissen möchte. Dessen Antwort: Nein, alles klar, danke. Soviel zu dem Vorwurf der Stadt, Herr Harb sei abgetaucht.

Und was ist mit dem Recht?

Bückers: Wir stellen uns nicht über gültiges Recht. Hätte man ihn mit Gewalt rausgeholt, hätten wir uns dem nicht wiedersetzt. Aber wenn ein Mensch Hilfe braucht, helfen wir ihm. Herr Harb lebt seit über 30 Jahren hier, ist nicht straffällig geworden, verheiratet und seine drei Kinder sind hier geboren. Das kann doch nicht sein, dass so jemand über Nacht abgeschoben werden soll, ohne dass das Petitionsverfahren durchgeführt worden ist.

Hatten Sie sich auf eine längere Zeit des Asyls eingestellt?

Obst: Ja Wir fanden es sehr unglücklich, dass er nach dem Brief des Oberbürgermeisters schon so früh das Kirchenasyl verlassen hat. Wir hatten erneut in Aachen wegen eines zweiten Kirchenasyls vorgesprochen und die Antwort lautete: „Wir tragen das mit.“ Auch Bischof Mussinghoff war informiert..

Jochen Pesch: Soweit ist es nicht gekommen. Herr Harb hatte darauf gesetzt, dass er den Menschen in der Politik vertrauen kann. Wäre er bei uns geblieben, wäre jemand mit seiner Vollmacht zu dem Termin in der Ausländerbehörde gegangen und hätte das Dokument für ihn geholt. So ist er dort verhaftet worden.

Wie haben Sie davon erfahren?

Bückers: Seine Begleitperson, die ihm den Brief von Herrn Kathstede im Kirchenasyl ausgehändigt hatte, rief mich sofort an. Ich wiederum rief die Ausländerbehörde an und erfuhr, er ist schon im Gericht. Also bin ich unverzüglich dorthin hingefahren. In dem Zimmer der zuständigen Richterin bekam ich zu hören: Er ist schon auf dem Weg nach Berlin. Auf meine Frage, ob denn seine Anwältin bei dem Haftprüfungstermin dabei gewesen sei, hieß es Nein.

Inzwischen ist er in der Türkei. Haben Sie persönlich Kontakt zu ihm?

Pesch: Ja, das Drama geht ja weiter. Auch die Situation seiner Familie ist weiter ungewiss.

Glauben Sie an seine Rückkehr?

Bückers: Ich bin der festen Überzeugung, dass das deutsche Recht in der Lage ist, ihm hier Aufenthalt zu gewährleisten. Die Familie Harb passt gut in unsere Gemeinschaft.