Geschichte Ein Krefelder an der Seite von Marx und Engels

Krefeld · In diesem Jahr wäre Friedrich Engels 200 Jahre alt geworden. Mit ihm kämpfte auch Conrad Schramm, der Sohn eines Krefelder Industriellen.

 Ein Bild von Conrad Schramm aus dem Artikel „Ein Revolutionär in Krefeld“, erschienen in „Die Heimat“ Band 60 im Jahr 1989 auf den Seiten 123-137.

Ein Bild von Conrad Schramm aus dem Artikel „Ein Revolutionär in Krefeld“, erschienen in „Die Heimat“ Band 60 im Jahr 1989 auf den Seiten 123-137.

Foto: unklar/Die Heimat

Gefragt nach dem Ursprung des Kommunismus, denken die meisten wohl an Karl Marx und Friedrich Engels. Letzterer macht 2020 sogar zum Engels-Jahr. Schließlich würde er nun 200 Jahre alt. Der Name Conrad Schramm kommt in diesem Kontext wohl nur Geschichts-Fans in den Sinn. Dabei ist er gerade für Krefelder ein spannender Charakter. Er stand Mitte des 19. Jahrhunderts in enger Verbindung zu Marx und Engels und war ein bekannter Mann im Bund der Kommunisten.

Schramms kurzes Leben (1822-1858) ist geprägt vom Sprung aus einer bürgerlichen Familie hin zum gesuchten Revolutionär. Mit Hilfe eines Beitrags aus dem 60. Band von „Die Heimat“, der Publikation des Vereins für Heimatkunde, lässt sich die Biografie nachvollziehen.

Conrad Schramm kommt im Jahr 1822 als Sohn von Johann Wilhelm Schramm in Krefeld zur Welt. Der Vater ist eine der angesehendsten Persönlichkeiten der Stadt. Sein Engagement für das Gemeinwohl und seine Seidenfirma machen Johann Wilhelm zu einem gefragten Mann. Vor diesem Hintergrund ist kaum zu glauben, dass sein Sohn Conrad bald als Staatsfeind steckbrieflich gesucht wird.

Am 1. Oktober 1845 tritt Conrad Schramm noch einen einjährigen Militärdienst an. Es sind die Jahre des Deutschen Bundes, also eines lockeren Staatenbundes von Fürstentümern unter Einschluss des Kaisers von Österreich und dem König von Preußen. Während seines Militärdienstes bricht Schramm mit diesem System und desertiert. Schramm gelingt die Flucht in die USA. Dort lernt er unter anderem den Revolutionär Harro Harring kennen – ein entscheidender Schritt vom Krefelder Fabrikantensohn zum Kämpfer gegen den Staat.

Schramm kehrt für
eine Revolution zurück

Im Jahr 1848 erreichen Schramm in den Vereinigten Staaten Nachrichten einer bevorstehenden Revolution in Deutschland. Verschiedene Kräfte drängen auf demokratische Reformen, darunter Liberale aber auch Frühsozialisten und Anarchisten. Schramm will am Umsturz mitwirken und kehrt nach Deutschland zurück. Kurz ist er in Krefeld, danach geht es weiter nach Kiel. Die Stadt im Norden ist ein Brennpunkt des Geschehens. Schramm arbeitet dort für das Kieler demokratische Wochenblatt. In Artikeln fordert er politische Grundrechte für das Volk und die Entmachtung der Fürsten.

Durch seinen Einsatz kommt Schramm mit Vertretern des Bunds der Kommunisten in Kontakt. In Hamburg trifft er 1849 Karl Marx. Schramm ist mittendrin im revolutionären Geschehen – und in Gefahr. In Schwerin ruft der Krefelder auf, eine Republik zu proklamieren. Dafür landet der Redner Schramm im Knast. Vertreter der US-Regierung intervenieren und können eine Anklage verhindern.

Kurzzeitig verlässt Schramm das Land – und reist, womöglich im Auftrag Marx‘, gleich wieder ein. Er gibt sich den Namen Theodor Hagen. Das Unterfangen geht schief – mal wieder. Schramm gerät in eine Polizeikontrolle und wird verhaftet. Die Tarn-Identität fliegt auf.

Ein Militärgericht in Köln verurteilt Schramm wegen Desertion und politischer Verbrechen zu zwei Jahren Haft. Was folgt, ist wohl typisch für das Leben des Krefelder Revolutionärs. Ihm gelingt die Flucht aus der Festung Jülich. Die Wachen feuern noch Kanonen ab, um Grenzposten zu alarmieren. Zu spät, Schramm ist fort: Über Belgien gelangt er bis in die Wohnung von Karl Marx in London.

Die Zeit der engen Zusammenarbeit mit Marx und Engels beginnt. Schramm ist ein wichtiger Helfer für die Vordenker. Seine Arbeit im Norden sowie seine Bildung und Sprachkenntnisse gelten für viele Aufgaben als wichtig. Schramm soll unter anderem in den USA für die Idee des revolutionären Sozialismus werben. Letztlich scheitert die Mission an der Finanzierung. Derweil fürchten die Machthaber auf deutschem und österreichischem Gebiet Schramm. Nachdem Rundschreiben an Kommunisten auffallen, wird er per Steckbrief gesucht.

Trotzdem kehrt Schramm wieder nach Deutschland zurück, 1850, nur elf Monate nach seiner Flucht aus dem Knast. Aus Hamburg berichtet er nach London. Nach der Rückkehr beginnt der Fall des Kurzzeit-Revolutionärs. Zunächst streitet er sich mit einem anderen Revolutionär in der Gruppe um Marx und Engels. Schramm und sein Kontrahent treffen sich zum Duell. Den Krefelder trifft ein Schuss am Kopf. Ein letztes Mal erholt sich der Mann, der als Hitzkopf gilt. Sein Leben in London wird in jenen Tagen zum Kampf ums Überleben. Wie viele Emigranten in London fristet auch Schramm sein Dasein in Armut.

Getrieben durch dieses Leid begeht Schramm einen fatalen Fehler. Er holt seine Brüder nach London und will Geld von ihnen. Dabei erzählt er viel, offenbar zu viel. Einer der Schramm-Brüder verwendet Informationen publizistisch gegen Marx. Das Verhältnis zu Marx und Engels verschlechtert sich.

Zum Höhepunkt dieses Streits will Schramm noch einmal von Paris wirken, bis er sich Ende Mai 1852 zum Neuanfang entschließt. Die Vereinigen Staaten sind das Ziel. Schramm will endlich eine gesicherte Existenz finden. Der Abschied bei den politischen Mitstreitern in England gerät beinahe zum nächsten Eklat. Einer der Emigranten macht klar: Alle der Revolutionäre hätten etwas gegen Schramm. Dieser soll entgegnet haben: „Ihr mögt mir nicht vertrauen, mag sein, das kommt von Privatgeschichten und von meinen Privatfehlern her. In Partheisachen habe ich mir nie etwas zu Schulden kommen lassen und weiß mich da vorwurfsfrei.“ So überliefert es Jenny Marx.

Über das weitere Leben Schramms ist nicht mehr viel bekannt. 1854 soll er US-Bürger geworden sein. 1855 erfährt Marx von einer schweren Erkrankung seines alten Helfers. Letztlich kann Schramms Tuberkulose nicht geheilt werden. Seine letzten Wochen verbringt er auf der Kanalinsel Jersey. Das milde Seeklima soll Linderung verschaffen. 1858 stirbt er dort, mit 35 Jahren endet so das Leben des Revolutionärs von Krefeld.