Gewalt erkennen und handeln
Lehrer und Erzieher können sich zur Fachkraft für Kinderschutz fortbilden lassen.
Krefeld. Lehrer und Erzieher ahnen, dass Kinder und Jugendliche täglich häusliche Gewalt und Vernachlässigung erleiden. Doch physische und psychische Misshandlungen der Eltern gegenüber dem eigenen Nachwuchs sind oft nicht einfach zu erkennen.
Seit 2005 hat das Personal in Kindertageseinrichtungen einen eigenständigen Schutzauftrag gegenüber den Kindern. Für Lehrer und das Fachpersonal an Schulen gilt das seit 2012. „Zuvor wurden Fälle der Kindeswohlgefährdung lediglich ans Jugendamt weitergegeben“, sagt Martin Menzel-Bösing.
Deshalb schult der Diplom-Sozialpädagoge in Zusammenarbeit mit dem Studieninstitut Niederrhein seit dem vergangenen November Mitarbeiter aus dem Allgemeinen Sozialen Dienst zur Fachkraft für Kinderschutz.
Inhaltlich geht es in dem Kurs darum, die Teilnehmer dafür zu sensibilisieren, Misshandlungen und Vernachlässigungen von Kindern und Jugendlichen durch Beobachtungen zu erkennen und etwas dagegen zu tun“, sagt Menzel-Bösing. Da das Thema sehr persönlich ist und bisweilen tief in die häuslichen Verhältnisse der Betroffenen vorstößt, ist der Kurs keine reine Vortragsreihe. Die Teilnehmer lernen in bis zu fünf praxisnahen Tagen, auch ihre eigene Rolle als Schutzbeauftragte neu zu interpretieren.
„Das Deuten von blauen Flecken, Zeichnungen von immer wiederkehrenden Symbolen wie einem überdimensionierten Geschlechtsteil oder Erzählungen über die Vernachlässigung der Elternpflicht sind ein wichtiger Bestandteil des Kurses“, erläutert der Diplom-Sozialpädagoge. Es gehe aber auch darum, mit diesem Wissen die richtigen Schritte einzuleiten.
Dabei müssen Lehrer wie auch Erzieher selbst das Gespräch mit den Eltern suchen. Die Vermittlung ans Jugendamt erfolgt erst in schweren Fällen. Für Erzieher und Lehrer bedeutet dies die direkte Konfrontation mit den Erziehungsberechtigten der Kinder und Jugendlichen.
„Die Teilnehmer lernen in dem Kurs auch den Umgang mit den eigenen Belastungsgrenzen“, sagt Marlene Feger, die Fortbildungsreferentin des Studieninstituts im Bereich Schule und pädagogisches Programm. Die Kursgebühren von 550 Euro müssen die Teilnehmer aber zum Teil selber aufbringen.
„Leider ist die Akzeptanz der Zusatzqualifikation zur Fachkraft für Kinderschutz noch nicht so etabliert. Die Teilnehmer werden nicht in allen Einrichtungen für ihr Engagement so unterstützt, wie es sein müsste“, sagt Feger.
Dabei ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen enorm wichtig. „Statistische Werte liegen leider kaum vor, da Deutschland das einzige Land Westeuropas ist, das keine Zahlen über Kinder führt, die häusliche Gewalt, psychischen Druck und Vernachlässigung erleiden. Die Zahl liegt aber wohl im sechsstelligen Bereich“, sagt Menzel-Bösing, der damit noch einmal unterstreichen möchte, wie wichtig die Schulung von Fachpersonal ist, das täglichen Umgang mit Kindern und Jugendlichen hat.