Grüne Welle: Fahrer sehen rot
Auf Krefelds Einfallstraßen stockt der Verkehr. Hilft nur eine Tempoerhöhung?
Krefeld. Es ist der Konflikt zwischen Umweltschutz und Verkehrsbewältigung. Autofahrer erleben es täglich auf den großen Einfall- beziehungsweise Ausfallstraßen, insbesondere auf der Ober- und Untergath und der Berliner Straße. Die Grüne Welle funktioniert nicht mehr nach der Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit von 70 auf 50 Stundenkilometer, die im Luftreinhalteplan vorgeschrieben ist. Das Ziel: Die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid und Feinstaub reduzieren. Es scheint allerdings das Gegenteil eingetreten zu sein, auch wenn das im Stadthaus niemand offen bejahen möchte.
Die Ampelanlagen an den elf Kreuzungsbereichen an Ober- und Untergath sind ausgereizt. Hartmut Könner, Leiter des Fachbereichs Tiefbau, der für die 238 Ampeln auf den rund 800 Kilometern Straßen in Krefeld zuständig ist, rauft sich die Haare. „Jede Anlage hat ihre eigene Geometrie. Jede Anlage stellt einen Kompromiss zwischen der Hauptverkehrsrichtung und dem Verkehr aus den Nebenrichtungen dar.“
Klar ist: Dem Autofahrer ist es egal, ob er aus einer Haupt- oder einer Nebenrichtung kommt. Rot ist immer ein Ärgernis. Die Verkehrstechniker stehen vor dem Problem, mit dem Fahrzeugaufkommen jonglieren zu müssen.
Den Verkehrsknoten Obergath/Gladbacher Straße passieren in beide Richtungen täglich 52 000 Fahrzeuge. Für die Hauptverkehrszeiten rechnen Fachleute mit zehn Prozent pro Stunde. Das sind 5200 Fahrzeuge. Zieht man rund ein Drittel der Fahrzeuge ab, die in Richtung Heideck- oder Gladbacher Straße abbiegen, bleiben theoretisch immer noch etwa 3700 Fahrzeuge auf der Gath in beide Richtungen. Durch vier Fahrspuren geteilt, ergibt das eine Summe von stündlich 925 Autos pro Spur.
Bei Tempo 70 rechnen die Spezialisten mit einer Zwei-Sekunden-Durchlaufphase pro Auto. Betrachtet man nur eine Fahrtrichtung auf zwei Spuren, erreicht das Aufkommen 15 Fahrzeuge pro Minute. Theoretisch. Bei einem Takt von zwei Sekunden bei Tempo 70 und einer Grün-Phase von 30 Sekunden ist hier die Auslastung schon bei hundert Prozent. Das heißt, rein rechnerisch hat die Grüne Welle noch nie für alle Verkehrsteilnehmer funktioniert.
Bei einer Reduzierung der Geschwindigkeit um fast ein Drittel von 70 auf 50 km/h verschärft sich das Problem. Die Taktung erhöht sich auf drei Sekunden pro Fahrzeug. Folge: Die 15 Fahrzeuge benötigten eine Zeit von 45 Sekunden pro Durchlauf, für die aber nur 30 Sekunden Grünphase zur Verfügung stehen.
Bei all diesen theoretischen Berechnungen wird klar, dass Könner und seine Ingenieurin für die Signaltechnik, Tanja Schreiber, nur im Sekundenbereich nachjustieren können. Eine große Lösung zugunsten der Grünen Welle gibt es nicht. Verringern könnte das Problem nur eine Rückkehr zu Tempo 70. „Es muss genau geprüft werden, ob die Schadstoffbelastung mit Tempo 50 tatsächlich abgenommen hat“, sagt Könner und will eine gegenteilige Auswirkung nicht ausschließen.
Zugespitzt wird das Problem durch das Alter der Ampeln. Rund die Hälfte ist älter als 20 Jahre, 65 sogar älter als 30 Jahre. Die älteste Anlage an der Uerdinger-/Essener-/Keutmannstraße ist 49 Jahre alt. Zum Teil sind Ersatzteile gar nicht mehr oder nur sehr schwierig erhältlich. Den akuten Erneuerungsbedarf beziffert Könner mit rund zehn Millionen Euro. Derzeit lässt er von einer Spezialfirma für 12 000 Euro prüfen, ob die Chronometer in den Ampeln auf der Gath überhaupt noch richtig ticken.
Ein ähnliches Dilemma stellt die Personalsituation dar. Während sich seit 1978 Jahren die Zahl der Lichtsignalanlagen mehr als verdoppelt hat, ist die Zahl der Monteure und Meister, die im Fachreich zuständig sind, bei sieben geblieben. Sie arbeiten hauptsächlich für die Störungsbeseitigung. Drei Einsätze außerhalb der regulären Dienstzeit fallen dafür täglich an.