Krefeld Gymnasium: Politik besiegelt Fichte-Aus

Im Schulausschuss ist ein Streit über die Zukunft der 40 Fünftklässler entbrannt. Fichte-Anhänger verfolgen die Sitzung per Live-Stream.

Bei einer Mahnwache vor dem Rathaus haben sich am Dienstag 300 Schüler, Eltern und Lehrer für den Erhalt ihrer Schule stark gemacht.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Es war eine weitreichende Entscheidung, die die Mitglieder des Schulausschusses am Dienstagabend treffen mussten. Erst eine Woche ist es her, dass Schüler, Eltern und Lehrer vom Aus ihrer Schule, des Fichte-Gymnasiums, erfahren haben. Auch für Krefelds Politiker kam die Nachricht, dass die Schule wegen der rückläufigen Anmeldezahlen zum übernächsten Schuljahr keine Fünftklässler mehr aufnehmen und dann sukzessive auslaufen soll, überraschend. Dennoch hat jetzt der Ausschuss das Aus des Innenstadt-Gymnasiums am Westwall besiegelt — vor rund 100 Zuschauern in einem Nebenraum im Rathaus, die die Ausschusssitzung und einen heftigen politischen Streit über die Zukunft der Schüler auf einer Leinwand per Live-Stream angespannt mitverfolgten.

Gut 300 Fichte-Anhänger waren zuvor vor dem Rathaus zusammengekommen, um mit einer Mahnwache gegen die Schließung des Gymnasiums zu protestieren. „Finger weg vom Fichte!“ oder „Ist das der Lohn für Courage und Respekt?!“steht auf den Schildern, die Schüler, ihre Eltern und Lehrer in die Luft halten. Laurenz Bick vom Elternrat hat sie alle zusammengetrommelt. Seine Tochter besucht die Oberstufe, sein Sohn die siebte Klasse des Fichte; seine kleine Tochter gehört zu den 40 Schülern, die zum Sommer in zwei fünfte Klassen am Westwall eingeschult werden — zum letzten Mal. „Das ist eine Katastrophe! Nicht nur für uns als Familie, sondern für das ganze Viertel und besonders für alle Kinder, die jetzt schon auf der Schule sind“, sagt er.

Auch Schuldezernent Gregor Micus betont im Ausschuss, dass ihn das Schicksal des Fichte „emotional mitnimmt“. 2003, als ein Großbrand das denkmalgeschützte Schulgebäude am Westwall fast zerstörte, da sei es für ihn keine Frage gewesen: „Wir werden es schaffen, das Fichte-Gymnasium zu retten.“ Heute spreche die Zahl von 40 Anmeldungen für sich: Die Schule erreicht damit die Mindestgröße von 50 Schülern in insgesamt zwei vorgeschriebenen Parallelklassen nicht. Bei einer Dienstbesprechung Mitte März habe die Bezirksregierung die Stadt über die „unausweichliche Rechtsfolge“ informiert, so Micus: Aus schulrechtlicher Sicht gibt es für das Fichte keine Rettung mehr.

So schockierend die Nachricht vom Fichte-Aus viele Krefelder treffe — „sie ist nicht vom Himmel gefallen“, sagt Stefan Holtschneider, Schuldezernent bei der Bezirksregierung. Er verweist auf die rückläufigen Anmeldezahlen der vergangenen zehn Jahre. „Die zeigen eine deutliche Tendenz.“ Dass die Bezirksregierung dennoch die Aufnahme der 40 Fünftklässler zum kommenden Schuljahr dulde, sei ein wichtiger Schritt, „um Zeit zu gewinnen“, betont Krefelds Schuldezernent Micus. Und das auch vor dem Hintergrund einer Schullandschaft, wie es sie in keiner anderen deutschen Stadt gibt: „In Krefeld befinden sich fünf Gymnasien in einem Radius von einem Kilometer.“ Eine Tatsache, die Schulträger und Stadt vor besondere Herausforderungen stelle.

Vor Herausforderungen sahen sich Dienstagabend auch die Mitglieder der Fraktionen. Sie sollten über einen Beschlussentwurf der Verwaltung befinden, der aus schulrechtlicher Sicht kaum Alternativen zulässt. Das hatte Regierungspräsidentin Anne Lütkes in einem Schreiben an die Stadt deutlich gemacht: Wenn der Ausschuss nicht mehrheitlich für eine Vorbereitung der sukzessiven Auflösung des Fichte-Gymnasiums ab dem Schuljahr 2018/19 stimme, verlören 40 Fünftklässler im Sommer ihren Platz, weil die Schule bereits dann aufgelöst würde.

Die CDU um Ratsfrau Stefanie Neukirchner wollte dennoch nicht von ihrem Antrag abrücken, in dem sie die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob der Rückgang der diesjährigen Anmeldezahlen am Fichte „nicht doch nur ein Umstand ist, der einmalig auftritt“. Sie bedauerte zudem die kurze Zeitspanne von einer Woche, die zwischen Bekanntwerden der Schließung und der Entscheidung im Ausschuss lag. „Es fühlt sich an, als hätte einem jemand die Pistole auf die Brust gesetzt — so können wir keine Entscheidung treffen.“

Heftige Kritik gab es dafür von Hans Butzen (SPD), der mit scharfem Zungenschlag gegen die CDU schoss: „Sie täten allen in Krefeld einen Gefallen, wenn Sie diesen Antrag zurückziehen.“ Genossin Ina Spanier-Oppermann betonte, sie bedauere die Entscheidung der Bezirksregierung und wolle im Schulterschluss mit den anderen Parteien um eine Lösung ringen. Dem Antrag der CDU könne ihre Fraktion nicht zustimmen. Spanier-Oppermann: „Dann stehen die Plätze für 40 Kinder im Sommer auf dem Spiel — der Preis ist uns zu hoch.“

Das war er auch für FDP, Grüne, die Linke und UWG. Gegen die CDU stimmten sie für die Verwaltungsvorlage, die das Aus des Fichte-Gymnasiums besiegelt. Anfang September wird sich der Schulausschuss mit der Beschlussfassung zur sukzessiven Auflösung der Schule befassen, über die am 19. September der Rat entscheiden wird.