Corona-Pandemie „Die Menschen weinen, weil ihre Existenzen wegbrechen“

Krefeld · IHK: Lage für Betriebe bedrohlich. Stadt hilft durch Stundung der Gewerbesteuer und setzt Terrassengebühr aus.

IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz plädiert dafür, in der zweiten Jahreshälfte mehr verkaufsoffene Sonntage anzubieten.

Foto: DJ/Dirk Jochmann (DJ)

Die Stadtspitze will Betriebe in der Corona-Krise entlasten. So müssten Gastronomen und Händler, die einen Außenbereich haben, derzeit keine „Terrassengebühr“ zahlen. Diese Möglichkeit könne während der Zeit der Einschränkung in Anspruch genommen werden.

Entlastung verspricht Stadtkämmerer Ulrich Cyprian auch für die Gewerbesteuer. „Wir bieten Stundungen der Zahlungen bis zum 30. Juni an.“ Gegebenenfalls werde dieses Angebot bis zum 30. September verlängert. „Wir benötigen dafür nur einen formlosen, aber schriftlichen Antrag“, ergänzt Cyprian. Bereits 50 Unternehmen hätten davon Gebrauch gemacht, insgesamt 900 000 Euro konnten die Betriebe dabei zurückhalten. 130 Unternehmen hätten zudem die Möglichkeit genutzt, die Vorauszahlungen anzupassen. Deutlich größer ist der Betrag hier, der den Firmen zu Liquidität in der Krise verhelfe: 3,7 Millionen Euro.

Die Stadt hat ein Merkblatt dazu herausgegeben, zudem stehen entsprechende Sachbearbeiter zur Verfügung. OB Frank Meyer erklärt, dass man hierdurch nicht nur einzelnen Unternehmen unter die Arme greife. „Es ist eine Frage, die das gesamte städtische Leben betrifft.“ Allerdings müsse die Verwaltung auch die eigene Liquidität im Auge behalten, zumal sich die Stadt im Haushaltssicherungskonzept befinde.

Mit emotionalen Worten beschreibt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz die derzeitige Situation der 80 000 Mitgliedsbetriebe. Über 5000 Anfragen seien bislang bei der Hotline der Kammer eingegangen. Und nach anfangs eher formalen Fragen zu Erlassen, gehe es nun um die blanke Angst: „Wir müssten eigentlich Psychologen und Sozialarbeiter einsetzen. Die Menschen fangen an zu weinen, weil ihre Existenzen wegbrechen.“ 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen sind nach einer Umfrage der Kammer von den Verordnungen betroffen, 13 Prozent von ihnen befürchten eine Insolvenz, jede dritte Firma glaubt, dass trotz Kurzarbeitergeld Kündigungen ausgesprochen werden müssen. Für den Handel spricht sich Steinmetz dafür aus, ab Juli mehr verkaufsoffene Sonntage anzubieten, um die Verluste kompensieren zu können.

Kalt erwischt worden ist die städtische Wirtschaftsförderung von der Corona-Entwicklung: „Das Thema Krisenbewältigung hat in den vergangenen zehn Jahren überhaupt keine Rolle mehr bei uns gespielt“, sagt Geschäftsführer Eckart Preen. Nun liefen die Telefonleitungen heiß. Und das ist auch bei der Arbeitsagentur so. „Viele Menschen kommen mit der Situation nicht klar“, berichtet die Vorsitzende Bettina Rademacher-Bensing. Statt drei bis vier Mitarbeiter müssten nun 40 den Arbeitnehmern per Hotline Rede und Antwort stehen. Ihre größte Sorge: „Wir verlieren die Jugendlichen momentan aus dem Fokus.“ Fragen wie die nach einer Ausbildung im Anschluss an die Schule rückten derzeit in den Hintergrund. 2745 Jugendliche suchten im März noch eine Lehrstelle. Steinmetz plädiert hier dafür, den Betrieben die Möglichkeit zu geben, die Ausbildung beispielsweise im Dezember statt nach den Sommerferien zu starten.

Unterdessen hat die Stadt ihren KOD-Mitarbeiterstab von 23 durch andere Kollegen auf 34 auch für „versteckte Personaleinsätze“ erhöht. Folge am Montag: 182 Verstöße zumeist in Grünanlagen, dafür gab es 23 Platzverweise, fünf Bußgeldverfahren und ein Strafverfahren gegen eine Gruppe von elf Leuten am Bleichpfad.

Unterdessen arbeitet die Stadt laut OB Meyer am „Plan A, B, C bis Z“ im Falle einer Lockerung der Verordnungen. „Wir wollen dabei aber unsere Linie beibehalten, das zu berücksichtigen, was von Bund und Land vorgegeben wird.“