Im Altenclub ist lang’ nicht Feierabend

An der Sternstraße treffen sich 130 Menschen in Krefelds ältester Einrichtung für Senioren.

Die alte Dame im schwarz-weiß gestreiften Rollkragenpulli ist für jeden Spaß zu haben. Klatschend und singend führt sie die Polonaise an, strahlt in die Kamera, es ist ja schließlich Karneval. Agnes Föhles’ Energie und Freude sind ansteckend, mitreißend — und so ziehen acht Frauen und ein Mann lachend unter den Luftschlangen und bunten Girlanden im Altenclub Feierabend her.

Foto: Andreas Bischof

1960 hat der Frauenverein die Einrichtung für Senioren an der Sternstraße in der Innenstadt gegründet — damit ist er der älteste Altenclub der Stadt. Er liege im „sozialen Brennpunkt“, „80 Prozent der Leute hier haben eine Rente unter 1000 Euro im Monat, leben alleine und sind einsam — damals wie heute“, sagt Marion Schulze. Sie leitet die Einrichtung seit 2007. Diese Männer und Frauen sollen rauskommen aus ihren Wohnungen, ihrer Einsamkeit, der Anonymität, „um in Gemeinschaft etwas Schönes zu machen“.

Agnes Föhles hat im Altenclub neuen Lebensmut geschöpft und gratuliert ihrer Freundin zum runden Geburtstag mit einem Gedicht.

So wie der 72-jährige Peter Koch. „Ja, ich bin alleine zuhause“, sagt er. An der Sternstraße fühle er sich nicht einsam. Seit nunmehr zehn Jahren kommt er regelmäßig hierher. „Das gibt mir Energie, ich kann abschalten und mein Alter und den Alltag vergessen“, sagt er. Wenn er den Garten hinter dem Haus macht, zum Beispiel. „Das macht mir einfach Freude.“ Als Mann ist er an der Sternstraße eindeutig in der Unterzahl — von derzeit 130 Altenclub-Mitgliedern seien „30, höchstens 40 Männer“, zählt Marion Schulze auf und führt das auch auf den natürlichen Lauf der Dinge zurück: „Frauen werden einfach älter als Männer“, sagt sie. „Wenn die Partner sterben, suchen viele Frauen Anschluss.“ In den vergangenen Jahren seien es weniger geworden, zu wenig, wie Schulze bedauert: „Da ist eine gewisse Hemmschwelle, viele trauen sich einfach nicht.“

Der Partner tot, die Kinder wohnen weiter weg, haben wenig Zeit, „da ist der Altenclub eine wichtige Anlaufstelle,“, sagt Schulze, „Familienersatz“, auch für sie selbst. „Ich hänge sehr am Altenclub, für mich ist die Arbeit hier eine Herzensangelegenheit.“ An der Sternstraße können die Männer und Frauen für einen kleinen monatlichen Beitrag zusammen basteln, malen und handarbeiten, singen, Gesellschaftsspiele oder Schach spielen, unter Anleitung Gymnastik machen. „Der Altenclub hält fit“, sagt Ingrid Konz und demonstriert lächelnd, wie gut die Dehnübungen mit dem Gymnastikband auch mit 80 Jahren noch klappen. Seit zehn Jahren besucht sie regelmäßig die Angebote an der Sternstraße, „meine Schwester wird bald 92, sie kommt noch länger hier her“, erzählt sie. „Ich habe auch noch meinen Mann, aber brauche Beschäftigung. Ich kann nicht immer zuhause bleiben, ich muss raus“, sagt Konz und weg ist sie, um an der Kaffeetafel mit den anderen Frauen zu plauschen.

Überhaupt: Einfach nur reden, das kann man hier auch. Über Sorgen und Probleme. „Bei uns kann man zusammen lachen, aber auch mal weinen, wird getröstet und in den Arm genommen“, sagt Altenclub-Leiterin Schulze. Agnes Föhles ist wohl das beste Beispiel dafür, wie man in Gesellschaft wieder aufblühen kann. Seit drei Jahren kommt sie in den Altenclub Feierabend. „Davor war ich am Boden, wollte einfach nicht mehr“, erzählt die 88-Jährige. Ein Sturz habe sie mit 85 fast aus dem Leben gerissen. „Vorher habe ich ehrenamtlich im Altenheim gearbeitet, bin viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, das ging dann auf einmal alles nicht mehr.“ Eines Tages sei sie dann an der Sternstraße 61 vorbei gelaufen und habe lauten Gesang gehört. „Da habe ich gedacht, da gehe ich mal hin, das brauche ich, um aus meinem Loch heraus zu kommen.“

Agnes Föhles hat ihre Lebensfreude in Gesellschaft der anderen Senioren wiedergefunden. „Hier tue ich was für mich und das ist gut“, sagt sie — und für andere. Freundin Marianne ist vor kurzem 90 geworden, das wird natürlich gefeiert.

Agnes Föhles hat ein Gedicht geschrieben: „90 Jahre bist du alt, da fragt man sich ganz ahnungsvoll, ob man denn sowas feiern soll. Ich mein’ dazu, man sollte doch, denn so viel Schönes kommt ja noch . . ..“