Komasaufen in Krefeld: „Schon Elfjährige sind sturz betrunken“
Krefeld. Schnell verstummen die vorlauten Sprüche aus Reihe zwei, als über die Leinwand im großen Saal des Cinemaxx-Kinos die Reanimationsversuche für einen stark alkoholisierten Jugendlichen flimmern.
Cool sein, das wird nach dem kurzen Film klar, ist nicht, sturzbetrunken sich und andere zu gefährden, sondern eher den Mut zu haben, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen.
„Wir wollen euch dazu erziehen, Stopp zu sagen, bevor es lebensbedrohlich wird“, sagt Uli Lenssen, Leiter des Krefelder Rettungsdienstes der Feuerwehr, bei der Auftaktveranstaltung von „Power statt Promille“.
Von verschiedenen Schulen sind 400 Schüler im Alter zwischen 13 und 17 Jahren der Einladung von AOK, Caritas-Beratungsstelle, Rettungsdienst, Helios-Kinderklinik, Alexianer-Krankenhaus, Polizei, den Rappern der KB-Crew und den Hip-Hoppern vom Yolo-Dancestudio gefolgt, um sich über das Thema Komasaufen zu informieren.
„Die Kampagne zielt bewusst nicht mit dem Zeigefinger auf den Alkoholkonsum ganz allgemein und seine gesundheitlichen Auswirkungen, sondern auf das Zuviel. Und wir wollen Jugendliche auffordern, sich einzumischen“, sagt Andreas Franke von der Krankenkasse AOK.
Professor Tim Niehaus, Chefarzt der Helios-Kinderklinik, weiß, wovon er spricht: „Wir haben Patienten, die erst elf oder zwölf Jahre alt sind“, schildert er den Klinikalltag. Rund 100 stark alkoholisierte Kinder und Jugendliche werden in der Helios-Kinderklinik pro Jahr betreut, und bei jedem Fall gibt es die Ungewissheit, ob es der junge Patient, schafft zu überleben.
In Krefeld, so sagt Niehaus, hat es noch keinen solchen Todesfall gegeben, aber dass diese längst keine Seltenheit mehr sind, belegen Folien, die Franke an die Leinwand wirft. „Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ein junger Mann so betrunken auf dem Ostwall lag, dass er sich übergeben musste. Da er auf dem Rücken lag, drohte er, durch sein Erbrochenes zu ersticken. Diese Rückenlage ist sehr gefährlich. Geholfen hat ihm keiner, er hätte fast mit dem Leben für seinen Leichtsinn bezahlt“, so Lenssen.
Er und seine Mitstreiter wiederholten während der Veranstaltung, wie wichtig es ist, auf sich, aber auch auf andere in der Gruppe aufzupassen. „Wenn ihr merkt, dass einer aus eurer Gruppe zu viel trinkt oder zu viel getrunken hat und es ihm richtig schlecht geht, wählt den Notruf. Lasst ihn oder sie nicht alleine und seht tatenlos zu, wie er oder sie vielleicht stirbt.“
Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 26 000 Kinder und Jugendliche im Vollrausch eingeliefert. 2006 waren es 9500.