Grabung in Krefeld-Gellep Kleiner Kultbau stand im Hinterhof

Linn/Gellep · Die laufende Auswertung der größten Grabung in der Geschichte des Archäologischen Museums in Linn hat hochinteressante Ergebnisse erbracht. Es geht unter anderem um verzierte Helme und eine „Kapelle“.

Doktorand Eric Sponville mit Bruchstücken des kleinen Kultbaus aus dem 2. Jahrhundert, der im Nordvicus entdeckt wurde.

Foto: WZ/Andreas Bischof Tel.+49(0)1712850

. Das „Abenteuer Großgrabung“ geht weiter – obwohl die gleichnamige Ausstellung im Archäologischen Museum in Linn wegen der Corona-Pandemie Anfang November 2020 geschlossen werden musste. Museumsleiterin Jennifer Morscheiser, Stadtarchäologe Hans-Peter Schletter und Doktorand Eric Sponville können aber von spannenden Forschungsergebnissen berichten, die mittlerweile zur größten Grabung in der Geschichte des Museums vorliegen.

„Eine solche wissenschaftliche Aufarbeitung ist in unserem Personalbudget nicht vorgesehen. Dazu braucht er leidensfähige Doktoranden“, sagt Morscheiser mit Blick auf Sponville. Er unterstützt ihr Team seit Beginn der Grabung auf der 3,7 Hektar großen Fläche im Jahr 2017. Seine Auswertung der Funde soll bis Ende des Jahres andauern. Unterstützung komme auch vom Förderverein, betont Schmetter.

Für den nördlichen Teil der kleinen zivilen Siedlung (Vicus) unmittelbar am Kastell hat der Doktorand der Kölner Universität Strukturen sichtbar gemacht, wie es selbst Schmetter nicht für möglich gehalten hätte. Tausende Funde mussten dafür in akribischer Kleinarbeit ausgewertet und zugeordnet werden. „Eine herausragende Leistung“, lobt Schmetter. So ist auch ein Plan der Siedlung aus dem 2. Jahrhundert entstanden, der die typischen römischen Streifenhäuser ebenso sichtbar macht wie die Wege, Straßen und Hinterhöfe.

An der Grenze mehrerer Grundstücke ist bei der Grabung ein ganz besonderer Fund gemacht worden: Dort befand sich quasi im Hinterhof ein kleines Privatheiligtum, das sich offenbar mehrere wohlhabende Familien teilten. Das 2 mal 2,5 Meter große Gebäude – heute würde man wohl von einer Kapelle sprechen – ist erst der dritte private Kultbau überhaupt, der innerhalb von Gelduba nachgewiesen werden konnte. Vergleichsweise hochwertig war die Ausstattung. So konnten noch Reste des rot und weiß bemalten Putzes sichergestellt werden.

Ein Heiligtum dieser Art (es stammt aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhundert) ist hier am Niederrhein bislang noch nie gefunden worden. Ähnliche Kultbauten waren bisher nur aus Großbritannien und Süddeutschland bekannt. Welche Gottheit in dem kleinen Gebäude verehrt wurde, darüber möchten Schmetter und Sponville keine Spekulationen abgeben.

Der nördliche Vicus ist in der Spätantike verfallen, die Grabung hat seine Geschichte jetzt aber wieder ans Licht gebracht. Deutlich weniger Kenntnisse gibt es von der südlichen Siedlung, die bei neuzeitlichen Arbeiten quasi im Hafenbecken „versenkt“ wurde.

Ab April 2017 hatte Peter Schletter zehn Monate mit bis zu 40 Leuten rund um das nördliche Dorf am römischen Kastell gegraben. Auf dem 3,7 Hektar großen Areal sicherte das Team 90 000 Funde aus der Zeit 800 vor Christus bis 500 nach Christus. Die Schwerpunkte liegen auf einem eisenzeitlichen Gräberfeld, der Bataverschlacht im Jahr 69 nach Christus und dem erwähnten Nordvicus.

Bataver-Helm mit
reicher Verzierung

Schletter selbst hat sich bei der Auswertung der Fundstücke auf den Bataver-Aufstand konzentriert. Das kleine germanische Volk war wegen seiner Kampfkraft geachtet und stellte sogar die persönliche Leibwache des Kaisers. Nachdem sich Nero 68 nach Christus getötet hatte, entbrannte ein erbitterter Streit um seine Nachfolge, in dessen Verlauf sich auch die Bataver erhoben.

Besonders intensiv hat sich Schletter mit den Helmen befasst. Davon sind bislang im Rheindelta, dem Wohnbereich der Bataver, nur etwa 20 gefunden worden, obwohl dort im ersten Jahrhundert 50 000 römische Soldaten stationiert waren, die jeweils eine Dienstzeit von 25 Jahren leisteten – 200 000 insgesamt.

Einer der Helme wurde 2018 bei der Grabung in Gellep entdeckt. Er ist besonders aufwändig mit Delfinen, Bronze-Beschlägen sowie Adlern verzierte und stellt einen Typus dar, wie er bislang nur an zwei weiteren Orten gefunden wurde, darunter Mainz. Schmetter ist fest davon überzeugt, dass es sich hier um einen Bataver-Helm handelt, zumal die Germanen bei ihrem Kriegsschmuck gerne etwas dicker auftrugen. Seine Forschungsthese: Der Helm der batavischen Elite-Einheit blieb nicht zufällig auf dem Schlachtfeld liegen, sondern wurde hier als „Trophaea“, als Siegesdenkmal, rituell deponiert.

„Es ist noch viel Auswertungsarbeit zu leisten“, hebt Schmetter mit Blick auf die Großgrabung hervor. Diese stellte aus Sicht der Archäologen einmal mehr unter Beweis, dass es sich bei Gelduba um einen „Fundplatz erster Ordnung“ handelt.