Krefeld wollte ihn loswerden Mutmaßlicher Cinemaxx-Brandstifter wurde kurz vor der Tat noch befragt

Krefeld · Der mutmaßliche Cinemaxx-Brandstifter war erst zwei Tage vor der Tat befragt worden. Er hatte zuvor Beschäftigte der Stadt Krefeld bedroht – und das nicht zum ersten Mal.

Polizeibeamte stehen vor dem Cinemaxx-Kino. Ein 38-Jähriger konnte dort vor einer Woche daran gehindert werden, einen Brandsatz zu legen.

Foto: dpa/Christoph Reichwein

Vor genau einer Woche hat ein 38-jähriger Mann, der aus dem Iran stammt, Krefeld in Atem gehalten: Erst ein Schuss aus einer Polizeiwaffe konnte verhindern, dass er nach einer Serie von Brandstiftungen auch im Foyer des Cinemaxx-Kinos Feuer legt. Seitdem reißen stadt- und landesweit die Diskussionen darüber nicht ab, ob diese Tat nicht schon im Vorfeld hätte verhindert werden können, da der Verdächtige mehrfach vorbestraft ist und erst wenige Tage vor der Tat Beschäftigte der Krefelder Ausländerbehörde, die im Cinemaxx-Komplex ihren Sitz hat, bedroht hatte. Die Stadtverwaltung reagierte am Mittwoch auf eine Vielzahl von Medienanfragen (darunter von der WZ) mit einer umfangreichen Darstellung der Vorgeschichte des Tathergangs.

Der heute 38-Jährige ist laut Ausländerzentralregister 2002 erstmals – unerlaubt – nach Deutschland eingereist. Er habe sich nach Auswertung der Ausländerakte dann seit 2002 vorübergehend in Deutschland, Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Russland, der Ukraine, der Schweiz, Dänemark, Norwegen, Luxemburg, Spanien und Schweden aufgehalten, heißt es aus dem Krefelder Rathaus. Zum Teil basierten diese Aufenthalte auf seinen Angaben.

Ausweislich eines französischen Auszugs aus dem Strafregister hielt er sich bis 2005 vornehmlich in Frankreich auf. Nachgewiesen sind Asylantragstellungen in Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Österreich.

Im Jahr 2008 erfolgte schließlich die Zuweisung nach Krefeld. Zwei Jahre später wurde er vom Landgericht Krefeld zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt – „unter anderem wegen Straftaten gegenüber damaligen städtischen Mitarbeitenden verschiedener Fachbereiche“, so die Stadt Krefeld. Diese Freiheitsstrafe verbüßte er bis 2014.

Zwischen 2014 und 2024 nicht
in Krefeld aufgetaucht

Danach beantragte er bei der Ausländerbehörde in Krefeld zwar eine Duldung, verzog dann aber in zunächst unbekannte Richtung. „Von 2014 an tauchte der Mann für zehn Jahre nicht mehr in Krefeld auf, kam im April 2024 zurück und begehrte eine Unterbringung“, heißt es aus dem Rathaus. Vergeblich versuchte die Stadtverwaltung, den Mann wieder loszuwerden: „Ein Rücknahmeersuchen an die Republik Frankreich, wo er sich über einen erheblichen Zeitraum in den vorhergegangenen zehn Jahren aufgehalten hatte, wurde abschlägig beschieden.“

Großeinsatz in Krefeld: Hier soll der Verdächtige gewütet haben
9 Bilder

Großeinsatz in Krefeld mit Polizeischüssen: Hier soll der Tatverdächtige gewütet haben

9 Bilder
Foto: samla.de

In Krefeld erhielt der Iraner auf seine Asylanträge hin nur eine Duldung. Diese ist eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Personen. Sie gilt für Menschen, die sich nicht rechtmäßig in Deutschland aufhalten, deren Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jedoch nicht möglich ist. Wie Oberbürgermeister Frank Meyer erklärt hatte, sei eine direkte Abschiebung wegen der Identitätsklärung und fehlender Reisedokumente des Mannes nicht möglich gewesen. Denn mit bis zu 27 Identitäten soll der Mann in verschiedenen EU-Staaten operiert haben. „Der Iran nimmt solche Menschen nicht auf“, so Meyer.

Der 38-Jährige wurde vom städtischen Fachbereich Migration und Integration darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Duldung insbesondere wegen seiner unklaren Identität monatlich neu beantragt werden muss. Dazu musste er alle vier Wochen in der Krefelder Ausländerbehörde vorstellig werden. Diese habe im weiteren Verfahren ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass eine eindeutige Identitätsfeststellung notwendig sei. „Dies traf nicht auf das Einverständnis des Mannes“, heißt es vielsagend in der zweiseitigen Erklärung der Stadt

Zwar ist bekannt, dass der Mann in Frankreich weitere Freiheitsstrafen verbüßt hat; in Krefeld gab es jedoch seit April zunächst keine größeren Auffälligkeiten. Aufgrund der besonderen Konstellation sei er in einer Einzelwohnung untergebracht gewesen. Aus Gründen der Sicherheit habe diese nahe der Polizeiwache Hansastraße, nämlich an der Schwertstraße, gelegen.

Am 13. September bedrohte der Mann dann Mitarbeitende des Ausländerbehörde. Noch am selben Tag sei dies der Polizei für das Programm PeRiskoP (Konzept zur Früherkennung von und zum Umgang mit Personen mit Risikopotenzial) gemeldet worden, erklärt die Stadt. Folge: Am 30. September gab es zum Zwecke der Identitätsprüfung bei ihm eine Wohnungsdurchsuchung, am 8. Oktober – zwei Tage vor der Cinemaxx-Tat – kam es zu einer Befragung.

Nach aktuellen Stand hatte der Iraner nacheinander verschiedene Identitäten genutzt, um beispielsweise Asylanträge zu stellen. Er konnte im Inland immer der Führungspersonalie laut Ausländerzentralregister zugeordnet werden. Dieses Register sei durch die Ausländerbehörde Krefeld kontinuierlich um neu hinzutretende Aliaspersonalien ergänzt worden.

„Der Mann ist ausreisepflichtig, die rechtlichen Voraussetzung einer Abschiebung lagen und liegen grundsätzlich vor“, betont die Stadtverwaltung. Allerdings sei eine Rückführung nicht realisierbar. Um den Mann in den Iran zurückzuführen, brauche es gültige Reisedokumente. Die ersatzweise Passbeschaffung im Zwangsverfahren für das Herkunftsland sei für die Ausländerbehörden nicht möglich, da die iranischen Behörden „Freiwilligkeitserklärungen“ der Betroffenen verlangen. Darin müssen diese erklären, dass sie freiwillig in ihr Heimatland zurückreisen wollen. Diese Erklärungen würden aber in der Regel nicht unterzeichnet, so auch im konkreten Fall. „Eine Rückführung ist ohne Reisedokumente also nicht möglich“, so die Stadt. Meinung S. 16