Interview „Ich kann mir so manche Straße auch ohne Autos vorstellen“

Krefelds neue Dezernentin Sabine Lauxen über die Grünen, mehr Platz für Fahrräder und Fußgänger und Angebote für die Szene auf dem Theaterplatz.

Corona geht vor. Aber die neue Dezernentin würde sich gerne mehr um andere Themen wie Soziales, Verkehr und Klima kümmern. 

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Wir treffen Sabine Lauxen am frühen Abend in ihrem Büro im Rathaus. Ein anderer Termin hat sich nicht finden lassen. „Der Tag fängt mit Corona an und hört mit Corona auf“, sagt die Frau, die seit Anfang Oktober Krefelds Gesundheitsdezernentin ist. Andere Themen aus ihrem Geschäftsbereich wie Klima und Umwelt müssen warten. Lauxen ist dankbar, dass sich das Gespräch nicht um die Pandemie dreht.

Frau Lauxen, wann haben die Grünen Sie gefragt, ob sie Umweltdezernentin in Krefeld werden möchten?

Sabine Lauxen: Wann genau das war, weiß ich gar nicht mehr. Ich bin bei den Grünen in NRW gut vernetzt und habe mit vielen geredet. So etwa Ende Juli, Anfang August wurden die Dinge dann konkret.

Kannten Sie Krefeld?

Lauxen: Ich hatte im NRW-Umweltministerium einen Kollegen, der wohnt in Krefeld. Er hat viel erzählt. Ich kannte die Stadt auch von Besuchen. Krefeld verfügt über sensationelle Grünflächen. Es gibt wunderschöne Quartiere, aber hinter der nächsten Ecke denkt man: Oh, hier muss aber etwas passieren. Als sich die Entscheidung für Krefeld abgezeichnet hat, bin ich hier viel mit dem Fahrrad gefahren und habe angefangen, mir die Stadt zu erschließen.

Wohnen Sie jetzt auch in Krefeld?

Lauxen: Nein, ich wohne mit meiner Familie schon sehr lange in Düsseldorf und das bleibt erst mal auch so. Mein Sohn ist 17 und macht hoffentlich in anderthalb Jahren Abi. Da passt ein Umzug nicht.

Und wie kommen Sie nach Krefeld?

Lauxen: Ich fahre mit der K-Bahn. Die ist klasse, die hat fast nie Verspätung. Während der Fahrt kann ich wunderbar all die Papiere lesen, die mir die Kollegen geschickt haben.

Was kann Krefeld von Oberhausen lernen, wo Sie acht Jahre als Dezernentin gearbeitet haben?

Lauxen: Oberhausen ist bei der Digitalisierung sehr weit, auch dank der Fördergelder. Der gesamte Verkehr – also Autos, Bus und Bahn, aber auch Radfahrer und Fußgänger – ist durch moderne Signalanlagen besser vernetzt, wird effizienter gelenkt. Es gibt Vorrangschaltungen für Radfahrer und Fußgänger. Alle sind im Boot: Stadt, Verkehrsbetriebe, Unternehmen. Das klappt richtig gut.

Und beim Klimaschutz?

Lauxen: In Oberhausen ist vor fünf Jahren ein Klimaschutzkonzept beschlossen und umgesetzt worden. Ganz wichtig ist die energetische Sanierung des Gebäudebestands. Anders als bei Neubauten gibt es da viele Hürden, aber die lassen sich überwinden. In vielen kleinen Projekten. Die Handwerkskammer hat sich als echter Partner erwiesen. Das ist nicht nur etwas für Menschen mit dickem Geldbeutel. Wir haben mit öffentlicher Förderung auch eine Klimaschutzsiedlung umgesetzt. Dort leben Menschen, die alle einen Wohnberechtigungsschein haben. Eine tolle Sache.

Stichwort Mobilitätswende. Können Sie sich eine neue Straßenbahnlinie in Krefeld vorstellen?

Lauxen: Alles, was den öffentlichen Nahverkehr stärkt, ist gut und richtig. Das können neben Straßenbahnen auch Busse sein, die mit sauberem Strom fahren. Mehr Fahrradstraßen sind auch prima, wobei Krefeld mit einem Rad-Anteil von 20 Prozent schon viel besser ist als Oberhausen. Dort sind es nur sechs Prozent.

Wie sieht der Verkehr in der Krefelder Innenstadt in zehn Jahren aus?

Lauxen: Weniger Raum für motorisierten Verkehr, autofreie Straßen, mehr Platz für Fahrräder und Fußgänger: Das ist die Richtung, in die ich denke. Ich kann mir so manche Straße in der Krefelder Innenstadt, auf der heute noch Autos fahren, auch ohne Pkw vorstellen. Ich bin sicher, dass die Geschäfte dort davon profitieren würden, wenn dort nur Räder und Fußgänger erlaubt wären. Dass die meisten Kunden mit dem Auto bis vor den Laden fahren möchten, stimmt einfach nicht. Kunden, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, bleiben viel lieber stehen, bummeln, schauen in mehrere Geschäfte. Das ist ein ganz dickes Brett, das durchbohrt werden muss. Aber das bohre ich gerne. Das wäre nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Geschäftsleute.

Der Umgang mit der Drogenszene in der Krefelder Innenstadt ist seit vielen Jahren ein kontrovers diskutiertes Thema. Welches Konzept verfolgen Sie?

Lauxen: Politik und Verwaltung müssen zeitnah zu Entscheidungen kommen. Wollen wir den Menschen aus der Szene auf dem Theaterplatz Angebote machen oder sie einfach nur weghaben? Mein Eindruck ist, dass es hier noch Diskussionsbedarf gibt.

Wollen Sie einen Drogenkonsumraum?

Lauxen: Mir fehlen noch Informationen, um das jetzt beantworten zu können. Ich möchte mir die Drogenkonsumräume in der Region anschauen und mit den Akteuren dort sprechen. Noch kann ich mir kein Urteil erlauben.

Wollen Sie mehr Streetworker?

Lauxen: Auf jeden Fall. Wir brauchen auch noch mehr Quartiershelfer. Zehn gibt es bereits. Das reicht aber noch nicht. Wir brauchen auch mehr Unterkünfte für Wohnungslose. Düsseldorf hat zwei Häuser angemietet, um dort betreutes Wohnen zu ermöglichen. Damit entsteht die Basis, um einen Ausstieg aus der Szene zu schaffen. Diesen Weg könnte Krefeld auch gehen, wenn die Politik das möchte.