Archäologie-Jubiläum Der Sensationsfund von Gellep

Krefeld · Am 25. September vor 60 Jahren wurde das Fürstengrab aus dem sechsten Jahrhundert mit reichlich Gold entdeckt.

Arbeiten nur noch mit Kellen, Spachteln und Pinseln: Die Entdeckung des Fürstengrabes im Jahre 1962.

Foto: Stadt Krefeld

Es war schlichtweg eine Sensation: Am 25. September 1962 wurde das intakte Fürstengrab von Gellep aus dem sechsten Jahrhundert mit reichlich Gold entdeckt. Zu den Beigaben zählte ein überaus kostbarer und prächtiger Spangenhelm aus Gold.

Die damalige Museumsleiterin und Archäologin Renate Pirling (1929 bis 2022) leitete in jenem Herbst vor 60 Jahren eine eher erfolglose Grabungskampagne. „Eigentlich waren die Arbeiten auf dem Gräberfeld beendet. Wir mussten die mitarbeitenden Studenten aber noch einige Tage beschäftigen, weil ihre Verträge das so vorsahen“, erinnerte sich die Archäologin. Und so ordnete sie einen Versuchsschnitt an, der bald Gesteinsbrocken ans Tageslicht lieferte, die dort eigentlich nichts zu suchen hatten. „Das war schon seltsam. Also haben wir immer weiter gebuddelt“, sagte Pirling.

Eine Eisenstange wurde entdeckt, ein Bronzegefäß und Münzen ließen erahnen, dass die Forscher auf etwas Außergewöhnliches gestoßen waren. „Wir arbeiteten jetzt nur noch mit Kellen, Spachteln und Pinseln“, so die Archäologin. Auch für die vorher noch eher gelangweilten Studenten war der Fund etwas Besonderes. Aus Angst vor Räubern übernachteten einige sogar neben dem Grab. Über 40 Artefakte entdeckten sie, darunter Goldmünzen, kostbare Edelsteine, eine Spatha (Schwert) und den heute weltberühmten Spangenhelm. „Der Helm war so schlecht erhalten, dass wir ihn sofort samt dem ihn umgebenen Sand mit Mullbinden umwickelten, um zu verhindern, dass er auseinanderfiel“, sagte Pirling.

Bis heute sind nur 44 Exemplare oder Fragmente von solchen Helmen bekannt. Ihre Verbreitung reicht von der Insel Gotland bis Nordafrika. Der Bitte der jungen Wissenschaftlerin nach einem Restaurator angesichts des Fundes kam das Landesmuseum in Bonn übrigens nicht nach. Statt des Restaurators schickte die Bonner Behörde einen Lehrling. Im Nachhinein bezeichnete Pirling das auch als Glücksfall, denn so blieb der sensationelle Fund in Krefeld. „Die große Anzahl und die Kostbarkeiten der Beigaben im Gelleper Grab 1782 sprechen für eine hochgestellte Persönlichkeit, die gewiss zur Schicht des fränkischen Adels gerechnet werden darf“, so Pirling. Es stellte sich später anhand einer Inschrift auf einem Objekt heraus, dass es sich um das Grab des fränkischen Fürsten Arpvar handelte. Seine Bestattung erfolgte in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Arpvar war damit ein Zeitgenosse des Frankenkönigs Chlodwig (466 bis 511). Die Franken bildeten einen großen germanischen Stamm im frühen Mittelalters. Ihre ursprüngliche Heimat lag wohl im heutigen Nordwestdeutschland, zwischen Niederrhein und Weser. Ob es sich um einen Stamm oder den Zusammenschluss von mehreren Stämmen handelte, ist nicht klar. Schon im Römischen Reich dienten Franken in der römischen Armee, und mit dem Abzug der Römer Anfang des fünften Jahrhunderts nutzten sie auch das Kastell in Krefeld-Gellep weiter. Während im fünften Jahrhundert in der Xantener Provinz und weiter stromabwärts schon keine römischen Strukturen mehr erkennbar waren, haben die Franken in der Kölner Region deren Verwaltungsgestaltung beibehalten. Gellep an der nördlichen Grenze der Kölner Provinz bildete einen Gau, einen Herrschaftsbezirk, in diesem Gebiet.

Das verschonte reichhaltige Fürstengrab – andere in Gellep aufgefundene Fürstengräber wurden ausgeraubt – lässt den Schluss zu, dass der Stützpunkt und die Siedlung auch unter fränkischer Herrschaft bis ins achte Jahrhundert eine bedeutende Ortschaft und ein wichtiger Handelsplatz mit einem Rheinhafen war. Das Fürstengrab erhielt die Kennziffer 1782. Die Beigaben sind ein Höhepunkt im Archäologischen Museum Krefeld. Das Fürstengrab ist eines von heute rund 6 500 bekannten römisch-fränkischen Gräbern vom ersten bis zum Beginn des achten Jahrhunderts in Krefeld-Gellep. Die Erforschung des größten modern ausgegrabenen und dokumentierten Gräberfelds in Europa beruht maßgeblich auf der Jahrzehnte langen Arbeit von Renate Pirling. Sie wurde am 24. August 1929 in Nürtingen geboren, studierte in Tübingen und München Vor-, Früh- und Kunstgeschichte. In den 1950er-Jahren kam sie zum ersten Mal nach Krefeld, um Funde des damaligen Museumsleiters Albert Steeger vom römisch-fränkische Gräberfeld in Krefeld-Gellep zu inventarisieren. Im Juli 1959 begann die Archäologin mit Studenten und zwei abgestellten Heizern der Stadt ihre erste Grabung. Eigentlich wollte sie sich dann in Heidelberg niederlassen. Als sie 1958 ein Telegramm vom Tod Steegers erreichte, kehrte sie sofort nach Krefeld zurück, um dort die archäologische Arbeit fortzusetzen. Der Stadtrat wählte sie schließlich 1961 zur Museumsleiterin. Als einzige Frau hatte sie sich gegen 36 männliche Bewerber durchgesetzt. Sie leitete von 1961 bis 1994 das Krefelder Museum. Renate Pirling lebte bis zu ihrem Tod im Frühjahr 2022 wieder in Nürtingen. In ihrer baden-württembergischen Heimat sind ihre bundesweit anerkannten wissenschaftlichen Leistungen und ihre archäologische Arbeit am Niederrhein weitgehend unbekannt geblieben.