Sport Elite-Hochspringerin trainiert Jugend

Krefeld · Ehemalige Athletin Iryna Mikhalchenko floh wegen des Ukraine-Krieges nach Krefeld. Bei Bayer hat sie eine eigene Trainingsgruppe.

Die ehemalige ukrainische Weltklasse-Hochspringerin Iryna Mikhalchenko nahm an den olympischen Spielen in Athen und Sydney teil.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

„Als es neben unserem Haus eine große Explosion gab, wussten wir gleich, dass es hier nicht mehr sicher für uns ist“, berichtet Iryna Mikhalchenko über den Moment, als ihr klar wurde, dass sie aus ihrer Heimatstadt Kiew vor dem Krieg fliehen musste. Die ehemalige Weltklasse-Hochspringerin aus der Ukraine entschied sich für den Weg nach Deutschland und landete im Juli 2022 schließlich in Krefeld. Durch einen Zufall kam sie in Kontakt mit Peter Quasten vom SC Bayer Uerdingen am Löschenhofweg. Was Quasten im Spätherbst 2022 noch nicht wusste, mit Iryna Mikhalchenko wird er in Zukunft eine ehemalige Weltklasse-Hochspringerin als Trainerin im Verein haben. „Ich habe an den Weltmeisterschaften und zwei Olympischen Spielen teilgenommen“, sagt Mikhalchenko auf der Hochsprungmatte am Löschenhofweg im Gespräch mit der WZ.

Man sieht ihr die Freude über ihre kleine Trainingsgruppe sofort an. Sie strahlt, als die fünf Athletinnen und Athleten zum Training kommen. In den drei Einheiten in der Woche kann sie ihren Alltag kurzzeitig vergessen. „In meinem Kopf sind die ganze Zeit sehr traurige Gedanken. Jeden Tag schaue ich mir die aktuellen Nachrichten an, versuche, meine Familie und Freunde in der Ukraine zu erreichen. Meiner Mutter geht es nicht gut. All das macht es sehr schwierig für mich, daher ist die Ablenkung hier am Löschenhofweg wirklich kostbare Zeit, die ich sehr genieße“, berichtet Mikhalchenko.

Die Olympia-Fünfte von Athen 2004 ist in Krefeld in einem Deutschkurs, hat in dieser Woche ihre A2 Prüfung. Die Athleten bei Bayer und ihre 16 Jahre alte Tochter Luiza, die in Krefeld in die zehnte Klasse des Gymnasiums am Stadtpark geht, helfen Irina, die neue Sprache zu lernen. „Wir verständigen uns in einem Mix aus Englisch, Zeichen und Deutsch. Es sieht vielleicht für den Außenstehenden lustig aus, aber es klappt. Ich hoffe, bald auch B1 zu bestehen, um noch besser Deutsch zu sprechen“, blickt sie optimistisch in die Zukunft, die für sie ungewisser nicht sein könnte. Niemand kann sagen, wie lang der Krieg in der Ukraine noch dauert. „Wir leben aktuell von Tag zu Tag. Bevor wir nach Deutschland kamen, lebten wir in einer Flüchtlingsunterkunft. Meine Tochter und ich sind wirklich dankbar, für die Zeit hier in Krefeld und bei Bayer“, sagt sie. Wenn sie die nächsten Hürden in den Sprachkursen gemeistert habe, wolle sie gerne Vollzeit in Krefeld arbeiten. „Wenn es klappt, dann auch gerne hier bei Bayer.“

Die Trainingsgruppe am Löschenhofweg: Jonas Losch (v.l.), Elas Wagner, Pia Jackel, Iryna Mikhalchenko und Mayla Niersmann.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Ihre Tochter lernte bereits in der Ukraine Deutsch, spricht mittlerweile fast muttersprachlich. Ihre Mutter unterstützt sie während des Trainings, falls es dann doch mal kleine Schwierigkeiten gibt. Diese lösen sich aber immer sehr schnell. Viele Übungen kann die 52-Jährige ihren Sportlerinnen und Sportlern auch noch selbst vormachen. „Es war am Anfang natürlich ungewohnt, wir haben viele neue Inhalte gesehen. Sie hilft uns viel, kann uns durch ihre Erfahrungen enorm helfen. Jedes Training macht ungemein Spaß“, sagt Hochspringer Jonas Losch. Erste Erfolge haben sich in der Trainingsgruppe auch schon eingestellt. Die 15 Jahre alte Mayla Niersmann wurde im Januar Regionsmeisterin in der U-18 und nur eine Woche später holte sie Bronze bei den Nordrheinmeisterschaften. Ihre neue Bestleistung liegt nun bei 1,67 Metern, Tendenz steigend. „Das Training ist abwechslungsreich und wirklich spannend. Es ist toll, mit Irina zusammen zu trainieren“, sagt das Hochsprungtalent.

Es scheint, als hätte Iryna Mikhalchenko, die eine Bestleistung von 2,01 Meter erreichen konnte, in der Seidenstadt ihre neue Heimat gefunden. Über einen steinigen und kaum vorstellbaren Weg kam sie nach Krefeld. Hier kann sie endlich wieder leben und ihrer Leidenschaft nachgehen. Auch wenn sie ihre Familie und Freunde in der Ukraine niemals aus den Augen verliert und der tägliche Kontakt zum Alltag dazugehört, gelingt es Mikhalchenko, wieder glücklich zu sein. Zumindest in der Zeit, in der sie ihre Hochsprunggruppe am Löschenhofweg dreimal in der Woche trainiert.