Handwerk Krefelder Quilterin ist in den USA ein Star
Krefeld · Claudia Pfeil hat in der Brotfabrik Im Brahm ihr neues Atelier mit Galerie eröffnet. Für ihre kunstvollen Steppdecken gewinnt sie internationale Preise.
Claudia Pfeil ist ein Beispiel dafür, dass Ausdauer und der Glaube an sich selbst belohnt werden. Als die heute 59-jährige Krefelderin 1985 in ihrem ersten Patchwork-Kurs während einer Lehre zum Schaufensterdekorateur ihren ersten Quilt nähte, hätte sie sich niemals träumen lassen, dass sie mit farbenprächtigen, aufwändig und detailreich gesteppten Patchwork-Decken zu einer weltweit bekannten Quilterin werden würde. Vor allem im Ursprungsland des Quiltens, in den USA, wo sie unzählige Preise bei Wettbewerben schon gwonnen hat. Auf der Straße werde sie nach Autogrammen gefragt und alles, was mit ihrer Person und ihren Patchwork-Decken (so die Übersetzung) zu tun habe, werde umgeschrieben, erzählt die studierte Textildesignerin. „Aus Fun (Freude) wird Pfun, aus Fabulous (fabelhaft) Pfabulous und so weiter.“
Am 27. Februar dieses Jahres, ihrem Geburtstag, hat sie sich ein ganz besonderes Geschenk gemacht: ein 330 Quadratmeter, licht durchflutetes, meterhohes Atelier in der ehemaligen, 1908 erbauten Brotfabrik Im Brahm an der Ritterstraße 181. Seit 2002 hatte sie schräg gegenüber ihr Geschäft „Quilt & Co.“, wo sie auch Stoffe verkaufte, Workshops anbot und auf engem Raum ihre immer größer werdende Sammlung an Art-Quilts ausgestellt hatte.
Sie malt mit Stoff und Garn, jeder Quilt ein Original
„Aber erst hier können sie wirken“, sagt Claudia Pfeil, werden sie selbst für den Laien erkennbar zu Kunst. Sie malt mit Stoff und Garn, jeder Quilt ein Original, einzigartig in der Wahl des Motivs, der verschiedenen Stoffe und Farben, Techniken und Materialien. Längst hat sie eine eigene Formensprache, die auch ohne ein Namensschild jeder in der weltweiten Szene erkennt.
Da ist der Quilt „Turtle Bay“, mit dem sie 2015 das Festival of Quilts im englischen Birmingham gewonnen hat. Eine üppige Unterwasserlandschaft mit schwimmenden Schildkröten auf blauem, türkisem, grünlichem und lilafarbenem Untergrund, umrahmt von Seesternen, Korallen und Algen. Der „Time to catch a dream“-Quilt zieht den Betrachter rein in die Welt der amerikanischen Ureinwohner, der Indianer, mit Assoziationen von Tipis in Erdtönen, Lagerfeuer und Legenden. Oder aber „Fractal“ , ein geometrischer Farben- und Formenrausch in den Spektralfarben. Allein er hat einen zertifizierten Wert von bislang 20 000 Dollar.
Ihr neuestes Werk „In Full Bloom“ (übersetzt „In voller Blüte) aus reiner Seide, üppige Gartenblumen zwischen Gräsern vor einer Gartenmauer, ist noch in den Staaten. Corvid 19 hat auch dort das Leben lahmgelegt. Claudia Pfeil, die mindestens dreimal im Jahr über den großen Teich zu Ausstellungen, Besuchen und Workshops fliegt, wartet ebenso auf das Ende der Krankheitswelle wie die amerikanische Besuchergruppe, die sie in dieser Woche in ihrem Krefelder Atelier begrüßen wollte.
„Das ist kein Zufall alles, das ist Bestimmung“, sagt sie in ihrem neuen Atelier mit Blick auf die neuen Räumlichkeiten und Möglkichkeiten, aber auch auf ihren beruflichen Werdegang. Nachdem sie ihren ersten Quilt 1985 noch mühsam mit Schablone und Schere zugeschnitten hatte, Rollschneider, Matte und Lineal waren zu dem Zeitpunkt noch völlig unbekannt, das Motiv zusammengenäht und mit der Nähmaschine die drei Lagen der Steppdecke fixiert hatte – das sogenannte quilten –, blieb das für viele Jahre erst einmal das einzige größere Nähprojekt. Sie zog von Dortmund nach Krefeld, studierte an der Fachhochschule Niederrhein Textildesign und arbeitete freiberuflich. 1992 kam ihr erster Sohn Julian auf die Welt.
„Es war die Zeit, in der ich anfing, meine gehorteten Schätze aus den Schubladen wieder zu holen und weiter zu verarbeiten“, erzählt Claudia Pfeil. Dazu gehörte auch ihre Examensarbeit, selbstentworfene und auf einem Schaftwebstuhl mit 16 Schäften gewebte Musterstücke. „Diese 30 mal 30 Zentimeter großen Unikate boten sich geradezu an, zu einem Quilt verarbeitet zu werden.“ Auf der Suche nach Garn ging sie zum Nähmaschinengeschäft Kellermann, fand dort die gerade auf den Markt gekommenen wichtigen Utensilien Matte, Cutter und Lineal und wurde prompt gefragt, ob sie nicht selber Kurse im Quilten geben wolle. „Das war der Beginn meiner Passion“, erzählt sie.
1997 eröffnete sie ihr erstes Geschäft am Westwall, wo sie aus Amerika importierte Stoffe verkauft und Workshops gibt. Durch den Stoffimport wird der Name der Krefelder Quilterin in Amerika langsam bekannt. Als das ursprüngliche Geschäft zu klein wird, zieht sie 2002 um in ein ehemaliges Seilwaren-Geschäft an die Ritterstraße 166. Zwei Jahre später tritt eine amerikanische Firma an sie heran: APQS (American Professional Quilting Systems) produziert Longarm-Quiltingmaschinen. „Mussten bis dahin die dicken Stoffe unter dem Maschinenarm hindurchgeschoben werden, was teilweise sehr mühsam war, werden bei dieser Maschine der Stoff gespannt und die Nadel mit einem Führungsarm über das Patchwork geführt, die sogenannte Longarm“, schwärmt Claudia Pfeil.
Mit dieser neuen Leichtigkeit kennen ihre Fantasie, aber auch ihr Tatendrang keine Grenzen mehr. Statt in ein neues Auto zu investieren kauft sie sich ihre erste Longarm-Maschine und ist damit die erste Quilterin in der europäischen Szene, die diese neue Technik nutzt. Menschen aus der ganzen Welt besuchen sie in ihrem Geschäft in Krefeld, in dem von Jahr zu Jahr neben den Quilts in Kundenaufttrag ihre eigenen Art-Quilts hinzukommen.
Mit APQS vereinbart sie, dass ihr Geschäft gleichzeitig auch zum Showroom für die Demonstration der neuen Maschinen wird. Drei weitere Quiltingmaschinen ziehen nach Krefeld. In ihrem neuen Quilt-Studio mit Galerie stehen Fredie, die Freihand-Longarm-Maschine, und Millie, die Stepp-Longarm-Maschine mitten im größten Raum, wie auf einer Insel. „Die Räume sind wie für mich gemacht“, sagt Claudia Pfeil. Vor vier Jahren hatte sie sie bei der Ausstellung des Krefelder Fotografen Hubert Hecker das erste Mal gesehen und gewusst: „Das ist es.“ Bei einem ersten Rundgang durch die Räume mit der Wohnstätte als damaliger Eigentümer war ihr jedoch klar, dass dort an der Bausubstanz noch einiges zu machen wäre – und ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen würde.
Mit dem neuen Eigentümer, dem Willicher Immobilienunternehmer Christian Paschertz, wendete sich das Blatt. Der hat im vergangenen August das unter Denkmalschutz stehende Ensemble von der Wohnstätte gekauft und sei auf ihre Wünsche eingegangen. So wurden Wände gestrichen, eine Küche eingebaut, der Beton-Boden im größten Raum für die Armlong-Maschinen mit Holzboden verkleidet und ausreichend Lichtquellen installiert. „Unter dem Dach des Hauses habe ich außerdem noch ein 35 Quadratmeter großes Appartement zum Wohnen mieten können, mehr brauche ich nicht, mein Lebensmittelpunkt ist ja hier unten“, sagt Claudia Pfeil.
Sie hatte noch für den alten Laden Fahrrad-Aufhängungen mit Seilwinde für die großen, schweren Quilts gekauft ebenso wie Stehleuchten und mehrere Kurstische, die alle in die neuen Räume ’rein passen, wie auch die alten, maßgeschneiderten Regale. „Alles passt auf den Zentimeter, als ob es für die neuen Räume vor Jahren schon angeschafft worden wäre.“
Deshalb glaubt sie auch nicht an den Zufall. „Diese Räume sind Bestimmung.“ Und damit der Entstehungsort für viele weitere noch auszuzeichnende Art-Quilts.