Krefelds DGB-Chef: „Beim Haushalt stehe ich hinter Oberbürgermeister Kathstede“

Ein Gespräch mit Ralf Köpke über schlecht bezahlte Arbeit, den Umgang der Politiker miteinander und warum er die Aussichten von Nirosta voller Skepsis beurteilt.

Krefeld. Krefelds DGB-Chef Ralf Köpke wehrt sich dagegen, den Standort Krefeld schlecht zu reden. Wir sprachen mit ihm über Städte-Rankings, die Auswirkungen des Etats 2013/14 und den möglichen Abriss des Seidenweberhauses.

Mini-Jobber dürfen ab 2013 statt 400 bis zu 450 Euro im Monat verdienen. Was heißt das für Krefeld?

Ralf Köpke: Nichts Gutes. Die Zahl der Mini-Jobber ist hier binnen zehn Jahren um 45 Prozent auf 22 000 gestiegen. Der Trend wird sich fortsetzen.

Sind nicht viele Menschen froh, einen Mini-Job zu haben?

Köpke: Das mag im Einzelfall so sein. Aber Mini-Jobs verdrängen reguläre Arbeit. In Krefeld gab es im Jahr 2000 über 88 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, nun sind wir knapp unter 83 000. Der Niedriglohnsektor wächst, und das ist nicht gut.

Was spricht gegen diese Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, um die uns andere Länder beneiden?

Köpke: Dagegen spricht, dass immer mehr Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. 1800 Vollzeitbeschäftigte in Krefeld sind Aufstocker, also auf Leistungen des Jobcenters angewiesen. Krefeld muss jährlich über vier Millionen Euro für Aufstockung ausgeben.

Was sollte die Politik tun?

Köpke: Deutschland braucht einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde als unterste Haltelinie. Mittelfristig sollten es zehn Euro je Stunde sein.

Steht ein möglicher SPD-Kanzler Peer Steinbrück für 8,50 Euro Mindestlohn?

Köpke: Er als Person eher nicht, seiner Partei traue ich das zu.

Im jüngsten Städte-Ranking schneidet Krefeld nicht gut ab. Ist der Standort so schlecht?

Köpke: Das Ranking stammt von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, wird also finanziert von den Metall-Arbeitgebern. Ich kann das nicht ernst nehmen. Es geht vor allem darum, eine Erhöhung der Gewerbesteuern zu verhindern.

Sie halten den Standort Krefeld demnach für gut. Aus welchen Gründen?

Köpke: Die Stadt hat eine hervorragende Infrastruktur. Dabei meine ich nicht nur die Anbindung an Autobahnen, sondern Menschen, die sich beruflich und ehrenamtlich engagieren. Es gibt ein flächendeckendes Netz von Bürgervereinen. Das finden Sie anderswo nicht. Man fühlt sich verantwortlich für seine Stadt.

Und die Minuspunkte?

Köpke: Eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit. Und es fehlen Ausbildungsplätze. Krefeld rangiert im NRW-Vergleich ganz hinten. 2012 hat die Zahl der Lehrstellen um elf Prozent abgenommen. Viele Firmen reden vom Fachkräftemangel, aber sie bilden den Nachwuchs nicht aus.

Wie beurteilen Sie denn den Umgang der Politiker miteinander?

Köpke: Katastrophal. Sie gehen respektlos miteinander um, und zwar unabhängig vom Parteibuch. Das Lagerdenken dominiert, nicht die Suche nach guten Lösungen. Ich gehöre keiner Partei an und kann das sagen.

CDU, FDP und UWG haben im Rat einen Doppelhaushalt 2013/14 durchgesetzt, der auf Steuererhöhungen verzichtet. Welche Auswirkungen wird das haben?

Köpke: Kürzungen und Schließungen stehen an. Einrichtungen wie Frauenberatungsstelle und Obdachlosenhilfe sind in ihrer Existenz bedroht. Der soziale Zusammenhalt in dieser Stadt ist massiv in Gefahr.

Sie befürworten Steuererhöhungen. Steht der Krefelder DGB-Chef hinter Oberbürgermeister Gregor Kathstede?

Köpke: Beim Haushalt ja. Ich finde es beschämend, wie seine Fraktion ihn bei den Etatberatungen öffentlich abgemeiert hat. Beim Prestigeobjekt Ostwall-Glasdach stehe ich sicher nicht hinter dem Oberbürgermeister.

Laufen die Firmen nicht weg, wenn die Stadt mehr Gewerbesteuer verlangt, so wie Kathstede es will?

Köpke: Natürlich nicht. Kein einziges Unternehmen würde deshalb abwandern. Wenn es um die Entscheidung für oder gegen einen Standort geht, sind andere Dinge viel wichtiger.

Welche?

Köpke: Gute Verkehrsinfrastruktur, qualifizierte Arbeitskräfte, umfassendes Dienstleistungsangebot, hoher Freizeitwert.

Sollte die Stadt das Seidenweberhaus abreißen, um einen attraktiven Mittelpunkt zu bekommen?

Köpke: Auf keinen Fall. Das Haus ist sicher nicht schön, aber es gehört zu Krefeld. Mein Wunsch: Sanieren, nicht abreißen. Wie beim Stadthaus.

Beim Edelstahlhersteller Nirosta hat jetzt der Outokumpu-Konzern das Sagen. Die Erfahrungen mit den Finnen sind in Krefeld schlecht. Bleibt das so?

Köpke: Ich fürchte ja. Die Zahl der Mitarbeiter bei Nirosta könnte bis 2015/16 von heute 2300 auf 1200 bis 1500 sinken.

Und was steckt dahinter?

Köpke: Outokumpu hat den Edelstahlbereich von Thyssen-Krupp mit Hilfe von Staatsgeld übernommen. Da wurde ein lästiger Konkurrent geschluckt. Wir reden von einem Markt mit Überkapazitäten. Ich gehe nicht davon aus, dass den Finnen die Nirosta-Werke lieb und teuer sind. Es geht hier nur um Gewinnmaximierung.

Wie reagieren Sie darauf?

Köpke: Bis 2015 gilt bei Nirosta die Beschäftigungssicherung. Wenn Outokumpu danach den Abbau will, werden wie uns wehren.

Erwarten Sie Hilfe von Thyssen-Krupp. Der Konzern bleibt ja an der Edelstahlssparte mit 29 Prozent beteiligt?

Köpke: Der Konzern hat kein Geld, sondern Milliardenschulden. Hilfe aus Essen für Nirosta erwartet ich nicht.