Abgrund aus Leid und Trauer

Das antike Drama „Die Troerinnen“ feiert Premiere.

Krefeld. Der Kernsatz kommt kurz vor dem Ende: "Nichts als Leid, das war es also, was die Götter mir und Troja zugedacht." Hekabe, die tief gestürzte Königin, spricht diese Worte, während ihre Stadt in Flammen aufgeht. Im Trojanischen Krieg hat sie ihren Mann und ihre Kinder verloren, sie selbst soll zur Dienerin des verhassten Odysseus werden. Die Frauen um sie herum teilen ihr Schicksal: Ohne Gatten, ohne Söhne und ohne jede Hoffnung gehen sie der Sklaverei entgegen.

Das antike Drama "Die Troerinnen", vor rund 2500 Jahren von Euripides geschrieben, ist schwerer Theaterstoff, ein zweistündiges Klagelied. Dass Regisseur Bruno Klimek es überhaupt wagt, ein heutiges Publikum damit zu konfrontieren, verlangt Hochachtung. Wer sich bei der Premiere am Freitag in Krefeld das Wochenende nicht vermiesen lassen wollte, verließ vorzeitig den Saal. Die Mehrheit blieb und erlebte Theater von großer Disziplin und Konsequenz.

Klimek verweigert sich jeder Modernisierung und überlässt es dem Zuschauer, die stets denkbaren Parallelen zum Hier und Jetzt zu ziehen. Er lässt die Figuren in schwarzen Kleidern in einem kargen schwarzen Bühnenraum auftreten, im Hintergrund eine schwere Metallpforte, auf dem Boden ein weißes Podest, auf dem die Frauen ihr Schicksal deklamieren.

Eine solche Inszenierung, die bewusst auf alle Effekte verzichtet, ist nur möglich, wenn man dem Text grenzenlos vertraut. Klimek kann das, weil er das Original in einem sechswöchigen Kraftakt im Sommer neu übersetzt hat. Sprachlich wie dramaturgisch ist ihm ein Meisterstück gelungen: Kraftvoll und poetisch ist seine Übertragung, doch auch für Zuschauer verständlich, die nicht Geschichte studiert haben.

Das Paradoxe an Klimeks Inszenierung ist, dass seine eigene Nähe zum Stoff auf der Bühne eine seltsame Distanz erzeugt. Selbst dort, wo der Text es hergibt, gestattet Klimek seinen Figuren keine Berührung, selbst Blicke wechseln sie nur selten. Die bedauernswerten Frauen von Troja werden nie zu Menschen aus Fleisch und Blut, sie bleiben Platzhalter des Schmerzes.

Die Schauspielerinnen, die sich - allen voran Ines Krug als Hekabe - die Seele aus dem Leib spielen und zwischen Resignation, Verzweiflung, Wut und Wahnsinn die tiefsten Tiefen menschlicher Not ausloten, trifft daran keine Schuld. Sie bekommen am Ende minutenlang Applaus für einen intensiven und mutigen Theaterabend. Sogar das Wochenende geht danach irgendwie weiter - so lange man nicht allzu sehr darüber grübelt, wie nah Troja noch heute manchmal ist.