Andreas Gursky elektrisiert Krefelds Kunstszene
Zur Katalog-Präsentation plaudert der Fotograf über Werdegang und Zukunftspläne.
Krefeld. Es gibt kein Kreischen, keine Tränen und keine Ohnmachtsanfälle. Doch abgesehen davon ist es offensichtlich, dass ein Star nach Krefeld gekommen ist.
Gleich nach seiner Ankunft muss Andreas Gursky Autogramme schreiben. Zu dieser Zeit warten vor der Tür von Haus Lange noch mindestens 100 Kunstbegeisterte auf Einlass. Wer nicht hineinkommt, verfolgt den Auftritt des berühmten Fotografen über Lautsprecher oder drückt sich die Nase an der Scheibe platt. Gursky elektrisiert. Schon 15 000 Menschen haben seine Retrospektive in Krefeld gesehen.
Zur Präsentation des Katalogs ist der Düsseldorfer zum Künstlergespräch gekommen - und gibt sich offen, persönlich und manchmal selbstironisch. So erklärt er seine Vorliebe für große Formate ganz und gar pragmatisch: "Kleine Bilder, kleines Geld. Große Bilder, großes Geld."
Abgesehen von solchen Bemerkungen erleben die Kunstfreunde im Saal einen nachdenklichen Gursky. Er sieht die Krefelder Retrospektive als "Zäsur" in seinem Schaffen. "Ich werde mir nun eine Auszeit nehmen", sagt er. "Ich will mich mit Bildideen, die in meinem Kopf sind, auseinander setzen." Dass seine Kunst danach ganz anders aussieht, hält Gursky durchaus für möglich.
Als eine Reise durch Leben und Werk des Künstlers gestalten Museumsdirektor Martin Hentschel und sein Museumspädagoge Thomas Janzen das Gespräch. Der Kontakt zur Fotografie entstand schon in Gurskys Kindheit. Seine Eltern hatten ein Werbestudio, in dem der Sohn praktisch aufwuchs: "Ich wurde manchmal nachts geweckt und musste als Model für Sarotti-Schokolade herhalten", erzählt Gursky.
Obwohl er sich als Teenager rein gar nicht für Fotografie interessierte, begann Gursky später ein Studium an der Essener Folkwang-Schule, wo sein berühmter Lehrer Otto Steinert auch schon mal das Wort "Scheiße" auf Bilder schmierte, die ihm nicht gefielen: "Das war harter Tobak für einen jungen Studenten."
Später, unter Bernd Becher, lernte Gursky "dem Medium zu vertrauen". Seine ersten Werke sieht er "eher als Schnappschüsse". Erst später wurden die Aufnahmen technisch aufwändiger: "Sie beruhen auf intensiven Seherfahrungen."
Bereits 1992 wandte sich Gursky der digitalen Fotografie zu - erleichtert, wie er sagt: "Im engen Umfeld der analogen Fotografie kam ich nicht weiter. Da muss ich auf zu viel verzichten." Heute sieht sich Gursky eher als "Akkumulationskünstler", der "Details sammelt und neu zusammenfügt". Das erfordert eine lange intensive Planung. Die Zeit, als Zufälle das Werk Gurskys bestimmten, scheint jedenfalls vorbei: "Früher wurde aus allen Lagen geschossen. Heute habe ich eigentlich nie eine Kamera dabei."