Andreas Simon, der Menschen-Beobachter
Andreas Simon macht Dinge sichtbar, die es vorher nicht waren. Seine Tanzperformance „Gewölle“ hat am 28. November Premiere.
Krefeld. Er gehört zu den Menschen, die ihr Gegenüber sofort beeinflussen: Wenn man den Tänzer Andreas Simon sieht, nimmt man automatisch Haltung an. Nicht militärisch wohlgemerkt, sondern körperlich. Er mahnt allein durch seine Körperspannung an das "Halt Dich gerade!". Wortlos.
Ein schweigsamer Mensch ist Andreas Simon jedoch nicht. Er strahlt große Herzlichkeit aus, öffnet zum Gespräch sein Arbeitszimmer. Vor den Fenstern in der Südstadt grüne Vorhänge, aus durchscheinendem, knisterndem Kunststoff. Überall Bücher.
"Was man so hat", findet er. Bisschen Philosophie und Geographie, Nachschlagewerke auf Papier gedruckt, Fotobände und Tanztheorie.
Alles nach Inhalt geordnet. Oben säuberlich beschriftete Kartons und Ordner, Gesellschaftsspiele und ein schmaler Computer mit Apfel. Vor dem Schreibtisch liegt eine rechteckige Platte, sie misst nicht mehr als ein Türblatt.
"Das ist meine Probebühne", sagt Simon fröhlich, "normalerweise liegt noch Teerpappe drauf". Er probt gerade für eine eigene Choreografie: "Gewölle" hat im Rahmen von Move! am 28. November Premiere in der Fabrik Heeder, eine Uraufführung sogar.
Am Bücherregal hat Andreas Simon mehrere große Bögen befestigt. Neben dem Move!-Plakat hängen Arbeitsvorlagen, Pläne, ein Stadtplan mit bunten Markierungen.
Nur eine klassische Choreographie mit Anweisungen für Pas de deux wird man hier nicht finden. Aber lauter spannende Elemente, denn auch dieses Gewölle enthält Dinge, die vorher nicht sichtbar sind.
"Es ist kein Improvisationstanz, aber ich werde natürlich auf das Publikum reagieren, wenn es sich ergibt", sagt Simon. Auf dem Laufzettel stehen Arbeitstitel, "aber die bekommt das Publikum nicht zu sehen."
Simon geht es bei seiner Auffassung von Tanz darum, Bewegungen von Menschen zu erfassen, sie zuzuordnen, und sie dann wieder im eigenen Bewegungsablauf zu zeigen.
Zur Vorbereitung einer Choreografie betrachtet er stundenlang Menschen in der Umgebung, die sie prägt. "Wie bewegt sich ein Mensch in der Tiefgarage? Oder in der Einkaufsstraße? Wo sind die Grenzen, wer legt sie fest?"
Wer aber nun denkt, man könne in seinem Tanz schlenkernde Einkaufstüten wiederfinden, irrt. Eine Assoziation, vielleicht. Simon hat Tanz in den Niederlanden studiert: "Da ging es sehr theoretisch zu."
Jetzt verteilt er seine Kräfte auf verschiedene Bereiche. Für das Werkhaus bietet er regelmäßig Workshops an, bei denen man auch als Neuling sein Körpergefühl erfahren kann.
In Düsseldorf unterrichtet er Tanz als Schulfach in der Sekundarstufe 1; ein äußerst erfolgreiches Projekt, bei dem er schon Jugendliche "angesteckt" hat. Für Schulfeste bereiten sie jetzt schon eigenständig Schrittfolgen vor.
Außerdem entwickelt Andreas Simon eigene Tanzprojekte wie etwa "Au Milieu", eine getanzte Stadtführung oder jetzt "Gewölle". "Ich habe meine Passion zum Beruf gemacht", kann er zufrieden sagen.
Und wenn er vom Tanzen nichts mehr wissen will, zieht er sich in sein Ferienhaus zurück: "Das sind nur 30 Quadratmeter, aber ganz dicht am Meer - da kann ich ganz und gar entspannen."