Aus der Posse wird ein Drama

Ensemble und Publikum kämpfen am Niederrhein um die Zukunft der Städtischen Bühnen.

Krefeld/Mönchengladbach. Aus der niederrheinischen Posse ist längst ein Drama geworden, das verrät schon der Blick in die Gesichter der Theatermacher. Erschrocken und frustriert nehmen sie zur Kenntnis, wie die Politik mit ihnen umgeht - und wehren sich nun dagegen. Jeden Abend, von der Bühne aus, rufen sie ihr Publikum auf mitzukämpfen, Briefe zu schreiben, den Sparkommissaren die Meinung zu geigen.

Es geht um viel in diesen Dezembertagen in Mönchengladbach und Krefeld. Die Vereinigten Städtischen Bühnen stehen zur Hälfte der Spielzeit noch immer ohne gesicherten Haushalt da und wohl auch künftig vor harten finanziellen Einschnitten. "Wer diese Pläne umsetzt, wird das Theater danach nicht wiedererkennen", warnt der SPD-Politiker Klaus Kokol, und das ist weit mehr als das Getöse des nahenden Wahlkampfes. Viele Bürger machen sich wirklich Sorgen um die Zukunft ihres Theaters und die Qualität des Angebots.

Was die Pläne betrifft, muss man unterscheiden zwischen den schlimmen und den ganz schlimmen. Für letztere sind CDU und FDP in Gladbach zuständig. Sie wollen dem Theater das zusätzlich benötigte Geld nur als Darlehen zur Verfügung stellen - eine wohl einmalige Idee in der deutschen Kulturlandschaft.

Die Folge wäre eine Schuldenspirale: Aus den knappen Mitteln müssten die Bühnen künftig noch Zinsen tilgen. "Dann kämen wir um Spartenschließungen nicht herum", sagt Krefelds Kulturdezernent Roland Schneider (SPD). Mal abgesehen davon, dass Krefeld die Gladbacher Kredite laut Vertrag mit abstottern müsste. Das hätte unter den Partnern fast für einen Eklat gesorgt.

Erst nach zähem Ringen verhinderten die Politiker den großen Knall. Im Theaterkuratorium beschlossen sie, den laufenden Etat um rund eine Million Euro aufzustocken - gegen die Stimmen der Gladbacher CDU und FDP. Sollten die Fraktionen am Mittwoch im Stadtrat genauso entscheiden, ist der Etat wieder gekippt, das Theater steuert geradewegs in die Zahlungsunfähigkeit. Dass in diesem Fall die Städte als Gesellschafter die Verluste auffangen müssten, macht die Situation noch absurder.

Doch selbst, wenn die Gladbacher Mehrheitsfraktionen zur Besinnung kommen, ist die Lage alles andere als rosig. Denn auch Krefeld will für die Spielzeit 2009/10 nicht den vollen Betrag bereitstellen. Welche Folgen das entstehende Etatloch hätte, hat Generalintendant Jens Pesel den Politikern in einer leidenschaftlichen Rede dargestellt: keine Gäste mehr, fast kein Bühnenbild, kaum Werbung, statt zwölf Premieren pro Stadt nur noch sechs, allesamt Übertragungen, keine einzige Neuinszenierung.

Der Intendant, der in 14 Jahren nie den Etat überzogen hat, mag mit seinen Horrorvisionen auch ein bisschen Politik machen - aus der Luft gegriffen sind seine Berechnungen nicht. "Das ist kein abstruses Szenario", sagt Pesel. "Wir haben kurzfristig keine Stellschrauben. Wir angeblichen Spinner, Fantasten, Träumer treten hier als Realisten auf."

Die Finanzdebatte, die sich seit Monaten hinzieht, hat inzwischen auch ganz praktische Folgen. So kann Pesel für die nächste Spielzeit keine Verträge abschließen und somit keinen Spielplan aufstellen. Er hat schließlich keine Ahnung, wie viel Geld er zur Verfügung hat. Außerdem sind laut Pesel bereits die ersten Schauspieler, Tänzer und Sänger auf dem Absprung. "Ich werde sie nicht daran hindern", sagt Pesel. "Ich kann ihnen ja nicht einmal neue Rollen anbieten."

Immerhin: Wer nicht die Flucht ergreift, ist offenbar entschlossen zu kämpfen. Vor der Ratssitzung soll es morgen Mittag in Gladbach eine Mahnwache für das Theater geben. In Krefeld hatte eine ähnliche Aktion die Politik sichtlich nervös gemacht.