Autor Herbert Genzmers: „Ich liebe den Niederrhein“

Das perverse Kunstgeschäft ist Thema in Herbert Genzmers neuem Roman — aus diesem liest er Donnerstagabend.

Autor Herbert Genzmers: „Ich liebe den Niederrhein“
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Wann erscheint ihr nächstes Buch? In welchem Verlag?

Genzmer: Mein nächstes Buch ist „La jugada perfecta“, es ist die spanische Übersetzung meines Romans von 2012 „Das perfekte Spiel“, das im Frühjahr bei dem spanischen Verlag Arola editors erscheint.

Was schreiben Sie gerade?

Genzmer: Unter dem Titel „Buch-haltung“ schreibe ich für das Zürcher Literaturmagazin „Entwürfe“ eine Kolumne über Bücher, wie werden Bücher gemacht, wie geht das überhaupt; wenn man einmal ein Buch geschrieben hat, wie gelangt es (mit viel Glück) zur Veröffentlichung; wie wird man vom Verlag über den Tisch gezogen; und — eben Buch-haltung — wie sieht es mit den Finanzen aus, was bringt ein Buch, kann man damit Geld verdienen; warum ja, warum nein, wer kann es sich erlauben Gedichte oder Belletristik zu schreiben. . .?

Was lesen Sie gerade?

Genzmer: Ich lese ein Buch von einem spanischen, besser: valencianischen Autor, Miguel Catalán über die Lüge, über Utopie, Selbstbetrug und Illusion. Sehr interessant, das ist ja auch lange mein Thema gewesen, die Lüge. Darüber habe ich promoviert und im „Perfekten Spiel“ habe ich das Thema wieder aufgegriffen. Dann lese ich gerade auch — Joseph Roth: Rebellion.

Woraus werden Sie bei „Literatur im Club“ lesen?

Genzmer: Ich lese einen Text, der mir sehr am Herzen liegt: Schreiben in Museen. Das ist ein stark vom Surrealismus inspirierter Text, der in dem Berliner Literaturmagazin „Metamorphosen“ veröffentlicht wurde. Ein wildes Spiel mit Bildern, Gefühlen, Sinneseindrücken. Dann lese ich zum Abschluss etwas aus meinem neuen Roman „Das Turandot-Projekt“, die Geschichte eines Künstlers, der sich an sich selbst und seinem Wahn verzettelt. Es ist eine Geschichte über Kunst, Kunstschaffen und darüber, was die Kunst darf; über das perverse und auch absurde Kunstgeschäft. Sie wird dann fast zu einem Kriminalroman, denn plötzlich wird der Täter — der Künstler — zum Opfer. Wenn Lust da ist, wenn noch Zeit da ist, würde ich zwischen dem ersten und dem letzten Text etwas aus den Kolumnen lesen — so als work in progress —, ich habe für „Entwürfe“ schon eine Amerika-Kolumne geschrieben, deren letzter Teil „Transatlantik“, die Rückfahrt aus Texas nach Barcelona mit einem Disney-Kreuzfahrtschiff erzählt. Der Text erscheint in diesen Tagen.

Sie bewegen sich erfolgreich auf zwei Gebieten: Wissenschaftliche Analyse von Texten steht Ihrer Prosa gegenüber. Was war zuerst?

Genzmer: Zuerst war das literarische Schreiben. Das wissenschaftliche oder Sachbuch-Schreiben kam später. Ich lebe gern zwischen zwei Polen, zwischen diesen beiden Formen des Schreibens, des journalistischen Schreibens ja auch, ich schreibe ja Reiseartikel; aber, um noch ein Feld hinzuzunehmen, das Übersetzen — es ist schwer, lange an einer Sache zu arbeiten und sich daran fest zu beißen, während das Springen zwischen verschiedenen Stilen und Themen mich immer fasziniert hat, denn es entsteht ein Spannungsfeld, in dem ich gern lebe.

Haben Sie Vorbilder?

Genzmer: Henry Miller hat mich immer fasziniert, aber auch sein Freund Lawrence Durrell; Particia Highsmith finde ich sensationell und Joan Didion, Truman Capote, Philip Roth. Joseph Roth.

Wie groß ist der autobiographische Anteil in Ihren Romanen?

Genzmer: Man kein sein gelebtes Leben nie wegputzen, darum ist es immer in allem vorhanden, was wir tun. Jede unserer Handlungen und jedes Umgehen mit Handlungen, alle unsere Reaktionen eben, stehen immer im Lichte des Erlebten und Erfahrenen. Wie sollte ich also mein Leben je aus meinen Romanen ausklammern können? Was jedoch am Ende entsteht, ist immer ein Totalfusion zwischen Fantasie und Leben. Lieb ist mir immer, wenn die Fantasie überwiegt.

Haben Sie ein Lieblingsbuch?

Genzmer: Meine Lieblingsbücher sind immer die, die ich gerade lese. Hervorstechend sind aber Huckleberry Finn und Tom Sawyer von Mark Twain, darin lese ich immer.

Sie leben in Tarragona und Krefeld. Was schätzen Sie besonders an Krefeld?

Genzmer: Da komme ich eben her, ich liebe den Niederrhein.

Was schätzen Sie besonders an Tarragona?

Genzmer: Tarragona ist Sonne, und Meer und Berge und spanische Gelassenheit, obwohl es davon immer weniger gibt. . . Die machen wir denen leider kaputt und beschweren uns anschließend darüber, dass sie sie nicht mehr haben.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Genzmer: Das ist eine schwere Frage, ich sage den Kindern immer: Zuhause ist da, wo wir schlafen.