Claus Peymann: „Theater ist geiler als Disco“

300 Schüler hängen an den Lippen des 75-jährigen Regisseurs Claus Peymann.

Krefeld. Er stapft durch das Schneegestöber über den Schulhof, die grauen Haare vom Winde verweht. „Sie wollen sicher erst mal durchpusten“, sagt das Empfangskomitee. Von wegen. „Das konnte ich ja im Zug.“ Claus Peymann ist unternehmungslustig, er kann es kaum erwarten, 300 Schülern des Berufskollegs Kaufmannsschule von der großen Leidenschaft seines Lebens zu erzählen: vom Theater.

Seit fast 50 Jahren ist Peymann Regisseur und Intendant, in Bochum, Berlin, am Wiener Burgtheater. Wo er wirkte, tobte erst das Leben und dann die Menge, wechselweise vor Wut oder Begeisterung. Für Peymann liegt der nächste Eklat stets in Reichweite, weil er sagt, was er denkt, und die Mächtigen provoziert. „Sie lernen Leute wie mich selten kennen“, erklärt er den Schülern. „Ich bin frei, ich habe vor niemandem Angst. An mir sieht man, dass man sich nicht an gesellschaftliche Normen halten muss.“

Solche Aussagen stehen auf keinem Lehrplan, entsprechend gefesselt sind die jungen Zuhörer. Gut möglich, dass einige nach diesem Auftritt einen Theaterbesuch in Erwägung ziehen. „Das ist viel geiler als Disco oder Fernsehen“, sagt Peymann. Und gibt zu: „Ich kann als alter Kacker gar nicht wissen, was Sie interessiert.“

Der 75-Jährige schwärmt vom Theater als Stätte für politischen Austausch, wo „man den Mächtigen die Maske runterreißt und den Schwachen Solidarität zeigt“. Theater sei ein „magischer Ort“: „Jedes neue Stück stellt mich vor ein unlösbares Problem. Es ist wie ein Kontinent, den ich als erster betrete.“ Claus Peymann könnte auch das Telefonbuch vorlesen, ohne dass Langeweile aufkäme. Dass er dabei mitunter wie ein „eitler Bursche“ klingt, hat er zu Anfang selbst zugegeben.

Doch seine Anekdoten über Bertolt Brecht („Der hatte immer viele Freundinnen.“), die 68er („Am Ende haben wir Recht behalten.“) und die RAF („Das waren keine Vollidioten aus besseren Kreisen, die Bonnie und Clyde gespielt haben.“) sind lebendige Nachkriegsgeschichte. Wo die gemacht wurde, war Peymann ja meist mittendrin, und es klingt danach, als wolle er noch eine Weile dort bleiben: „Das Theater hat an Boden verloren, auch weil überall gespart wird. Die Politik kauft lieber Hubschrauber oder schiebt das Geld irgendwelchen Leuten in den Arsch. Aber abschaffen kann man uns nicht.“