Kultur in Krefeld Der chinesische Künstler im Wasserturm

Kultur · Wen Wu, früher Gastronom, ist studierter Künstler mit besonderer Lebensgeschichte – er wohnt am und im denkmalgeschützten Wasserturm an der Krefelder Gutenbergstraße.

Wen Wu vor einigen seiner Arbeiten – rechts ist Malerei mit Feuer-Motiv zu sehen, eine Reminiszenz kalter Wintertage im schlecht beheizten Wasserturm.

Foto: Andreas Bischof

Er kam jung nach Deutschland, um Kunst zu studieren, und landete in Düsseldorf. Eine Lebensgeschichte, die der Chinese Wen Wu mit doch recht vielen künstlerisch begabten Menschen aus dem Ausland teilt, die gerne an renommierten europäischen oder in diesem Falle deutschen Kunsthochschulen studieren wollen. Doch die weiteren reizvollen Details seines Werdegangs sind dann schon überraschender, durchaus auch kurios. Nicht nur, weil er jüngst aus der Kunstmetropole Düsseldorf nach Krefeld gezogen ist; übrigens das machen überraschend viele Künstler, vor allem auch weil es in Krefeld noch herrliche Potenziale für Ateliers und Co. gibt. Kurios, nicht nur, weil er jetzt der neue Eigentümer des wunderschönen historischen, aber recht runtergekommenen Wassertums an der Gutenbergstraße ist; und nicht nur, weil er begonnen hat dort für sich und seine Familie ein Heim, für sich Atelier und Co. einzurichten. Dies im Untergeschoss und in einem modernen Anbau, der das charmante Flair einer Loft-Wohnung in einer Großstadt – man wähnt sich in industriellen Vororten Londons, New Yorks oder Berlins – an sich trägt. Wen Wu – der ein mit expressiver Kraft malender Künstler sowie ein bedachter, warmherziger und begeisterungsfähiger, zudem überaus freundlicher Mensch ist, wenn man ihn persönlich kennenlernt – war sogar zudem lange Zeit eine echte gastronomische Größe in Düsseldorf.

Wen Wu betrieb das Lokal
„Böser Chinese“ in Düsseldorf

Nach seinem Studium, berichtet Wu, fing er mit seinen Brüdern an zusammen sich auf gastronomischen Gefilden zu engagieren – mit Kunst Geld zu verdienen, daran konnte Wu damals noch nicht denken. 2001 gründete er zunächst den Imbiss „Rote Laterne“, der gut lief – vier Jahre später habe man mit dem „Bösen Chinesen“ angefangen; einem ausgesprochen bekannten chinesischen Lokal im damals immer hipper werdenden Düsseldorfer Viertel Flingern. „Ich habe dann 2010 gesagt, das ist mir zu viel“, berichtet Wu weiter. An einem Tisch in dem großzügigen Anbau vor dem Wasserturm sitzend, der von ihm und mit großer Hilfe von Freunden gebaut wurde und dessen Details viel Liebe für Stil, für Geschmack und einem speziellen internationalen Flair verraten lassen, der den Flirt mit dem Unfertigen, mit Patina und Co. nicht scheut. „Ich wollte unbedingt Kunst machen, deswegen bin ich nach Deutschland gekommen“, sagt der 1968 geborene und 1990 nach Deutschland gezogene Wu, der in der Klasse von Dieter Krieg studiert hatte. „Ich konnte es mir nicht leisten“, berichtet Wu weiter in ruhigen Worten bei einer Tasse Espresso, „nach so langem Studium, nach so vielen Träumen, nur Gastronomie zu machen“. Er hatte natürlich auch in der Phase als Gastronom niemals aufgehört, Künstler zu sein – falls dies überhaupt, irgendwo, einem rechten Künstler gelungen sein könnte, aufzuhören, etwas zu sein, was so eng mit der eigenen Persönlichkeit verbunden ist, wie das Künstlertum. Wu gehört, dies ist offenkundig, zu jenen Künstlern übrigens, von denen es nicht ganz so wenige zu geben scheint, die eine Schwäche für besondere Orte, für die Magie etwas eingeschlafener und auf das Wachküssen wartender Gefilde, haben. Nicht nur der große Raum, von dem er indes aufgrund behördlicher Vorschriften derzeit nur Teile nutzen darf, die Fantasie anregenden Möglichkeiten im Innern des verwunschenen Wassertums, haben ihn offenbar dazu gebracht sich der Lebensaufgabe den Wassertum zu renovieren und für sich auszubauen, hinzugeben. Der Vorbesitzer hatte schon versucht, das Denkmal nach seinen besonderen Vorstellungen umzubauen, ließ sogar einen seinerzeit modernsten Fahrstuhl einbauen, verlegte schon Leitungen und führte vergleichbare Vorarbeiten durch. Doch er verstarb – der Wasserturm stand lange vereinsamt vor sich hin; bis Wu in jüngst erwarb, die Räume und Etagen des Turms von Hinterlassenschaften des Vorbesitzers bereinigte und anfing, in den dicken Mauern nun einen Aus- beziehungsweise Umbau zu realisieren, natürlich in Abstimmung mit den Behörden, nach allen Vorgaben, die indes nicht die leichtesten sind. Im großen Wasserbehälter an der Spitze des Turms beispielsweise würde gewiss trefflich ein Atelier eingebaut werden können – doch davon kann man aktuell nur träumen; Vorschriften, vor allem auch Brandschutz machen viele Ideen kompliziert.

Der Hausherr vor seinem Turm. Vor Wu steht noch viel Arbeit, falls er das Denkmal ganz nutzen möchte.

Foto: Andreas Bischof

Wu machte früher Kunst im Hinterzimmer seiner Gastronomie

Aber kehren wir zur Lebensgeschichte Wen Wus zurück. Tatsächlich hatte Wu seine Kunst seinerzeit als Gastronom hinter dem Lokal in einem Lagerraum verwahrt – so berichtet er, inzwischen bei dem zweiten Espresso, den er köstlichst für sich und den Autor dieser Zeilen fachkundig an einer ganz besonderen Maschine, die ihm Freunde geschenkt hatten, zubereitet hatte. „Dort habe ich auch gemalt, wenn ich Zeit hatte“ – und Galeristen kamen sogar vorbei. „Wenn ich viele Erlebnisse habe, wird das Leben interessanter und auch die Kunst; Kunst kommt nicht von alleine“, sagt Wu. So habe er während der Corona-Zeit viel an dem Wasserturm gearbeitet; dies sei auch eine Art der Kreativität. Wie sehr äußere Gegebenheiten seine mit kraftvollen Gesten gemalten, wohl komponierten Bilder durchaus zudem beeinflussen vermochten, lässt sich an einer kleinen Anekdote ablesen. Unter den neueren Arbeiten Wus finden sich Bilder die Feuer, Lagerfeuer und dergleichen zeigen. Sie malte der Künstler im Winter in dem noch nicht besonders gut geheizten Räumen im und am Wasserturm. Es war kalt, offenbar sehr kalt, wie er schildert, und mit zur Verfügung stehenden Mitteln, konnten sowohl Anbau als auch ausgebautes Erdgeschoss – wo sich etwa auch Bad und Schlafzimmer befinden – nicht tüchtig genug erwärmt werden. Wu malte gegen die äußere Kälte mit der Wärme seiner Fantasie an.

Doch was war denn nun 2010 passiert, nach dem Ausstieg aus der „Gastro-Welt“? Wu zog, aus hiesiger Perspektive mag dies zunächst überraschend klingen, komplett nach China zurück. „Meine Frau war schwanger, und es war uns wichtig, dass uns unsere Verwandten unterstützen können“, sagt Wu. Er hatte damals viele Kontakte noch dort. Er zog zurück in die Nähe seiner Eltern nach Lanzhou. Er fing dort sofort an wieder Kunst zu machen. „In dieser Zeit fing China an zu boomen“, erklärt Wu, mit durchaus bedachten Worten formulierend. „Gerade nach der Olympiade gab es viele Chancen“ – er sei aber Künstler und kein Politiker, betont er. Er hatte auch dort eine Galerie, einen Galeristen, Ausstellungen wurden organisiert. 2013 eröffnete er die Wen-Wu-Studios in Peking.

Sohn des Künstlers sollte nicht in China zur Schule gehen müssen

Doch dann kam es wieder zu einer familiär motivierten Veränderung, denn Wus Sohn, er ist heute 13, kam in das Schulalter und Wu wünschte sich, dass der Filius nicht in China, sondern in Deutschland zur Schule gehen möge. Auch weil er sich mit dem Schulsystem in China nicht wohlfühlte. Wu fing an zu pendeln. Mietete in Düsseldorf eine kleine Wohnung, behielt sein Atelier in Peking – „das war sehr anstrengend“. Und es kam durch stadtplanerische Umstrukturierungen in dem Viertel, wo sich Wus Atelier in Peking befand zu einem erheblichen Einschnitt. Er verlor die dortigen geräumigen Räumlichkeiten. „Da musste ich meine gesamten Arbeiten bei dem Galeristen lagern“, berichtet Wu. So wuchs der Wunsch, sein Atelier-Standort in Deutschland aufzuschlagen.

Die Familie hat einen Anbau am Wasserturm geschaffen, der wie ein großstädtisches Loft anmutet.

Foto: Andreas Bischof

„Dann haben wir den Wasserturm gesehen“ – lächelt Wu. Mit Kontakten zum Kulturamt Düsseldorf suchte der Künstler, der weltweit ausstellt, schon zuvor landesweit nach einem Atelier. Aber die Räume waren für die Kunst Wus, für seine vielen Arbeiten viel zu klein und zu teuer. Er suchte also nach Fabrikhallen und Co. in der Nähe von Düsseldorf. Auf den Wasserturm kam er dann durch Zufall. Der Vorbesitzer des Turms sei schon 2004 gestorben, berichtet Wu. „Die konnten nicht verkaufen“, sagt Wu, „keiner wollte das haben, weil keiner wusste was damit anzufangen, und man muss ja richtig viel Geld investieren“. 20 Jahre stand der Bau leer. Dann erwarb er den Bau von den Erben. Als Wu den Turm dann 2018 übernahm, habe ihm das Denkmalamt gesagt: „Herr Wu, sie wissen gar nicht, was sie hier gekauft haben“ – Wu lacht, lächelt und bestätigt, das er wirklich wenig Ahnung gehabt habe, ob dessen, was da kommen würde. 2020 fing er mit dem Umbau an. Er hat schon viel geschafft in den drei Jahren. „Wir meckern nicht, wir sind glücklich“ – sagt er, wenngleich er weiß, dass noch viel mehr möglich wäre.

Er ist indes auch immer wieder auch noch in China, wird dort von einer Galerie in Schanghai vertreten. Er möchte gerne künftig natürlich auch in Deutschland und gewiss auch in Krefeld ausstellen – in Deutschland hat er noch keine Galerie, das wird sich bald ändern müssen. Er hat schon Kontakte nach Berlin und Köln. Wie er seinen Wasserturm für die Öffentlichkeit öffnen darf, oder ob es vielleicht besondere Aktionen am und um den Turm geben könnte, das wird sich noch zeigen. Gesetze, Regeln. Wu ist aber definitiv inzwischen an der Gutenbergstraße verwurzelt. Vieles hänge von einer möglichen Sondernutzungserlaubnis ab. Der gerade im Umbau befindliche Garten um den Wasserturm herum würde sich für ein Open-Air-Event anbieten. 2021 hatte er schon eine besondere Ausstellung mit der Hochschule Niederrhein realisiert. Wu hat Kontakt weiterhin zur Hochschule, auch zum Kulturbüro Krefeld – Kontakt zu den Kunstmuseen Krefeld indes gestalte sich schwierig, berichtet Wu.