Kabale und Liebe Der Musikus als türkischer Patriarch

Die Spielzeit am Krefelder Theater beginnt mit Schillers „Kabale und Liebe“ — in einer nur inkonsequent aktualisierten Fassung.

Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Sie will ihn, und er will sie. Alles könnte gut ausgehen zwischen Luise und Ferdinand. Doch vor die Liebe hat Friedrich Schiller in seinem bis heute viel gespielten bürgerlichen Trauerspiel „Kabale und Liebe“ den Ständekonflikt zwischen Adel und Bürgertum gesetzt — und zwei sture Väter, die den Sprung der Liebe über die Klassenschranken nicht dulden wollen. Zum Spielzeitauftakt zeigte das Theater Krefeld jetzt das Sturm-und-Drang-Drama in einer nur inkonsequent aktualisierten Fassung.

Der Ständekonflikt trägt heute nicht mehr, also zieht Regisseur Matthias Gehrt eine andere Grenze zwischen Ferdinands adeliger Familie von Walter und der bürgerlichen Familie Miller, deren Tochter Luise ist. Vater, Mutter und Tochter Miller tragen die Kleidung strenggläubiger Muslime, bis hin zu Kopftüchern für die Frauen und sogar einer Mütze für Miller (Kostüme: Petra Wilke). Sie werden also zu „Fremden“ abgestempelt.

Nur behalten sie ihre deutschen Namen, und der Text wird lediglich gekürzt. Da mag Joachim Henschke als Miller noch so sehr sein Gebetskettchen drehen, der Muslim bleibt Kostüm, also Oberfläche. Und dass er gegen Ende mit seiner Tochter „Der Mond ist aufgegangen“ singt, das bekannteste der deutschen Abendlieder, bleibt völlig rätselhaft. Bei Schiller steht das übrigens nicht.

Die Bühne (Gabriele Trinczek) ist ein Unort. 90 unterschiedliche Stühle stehen da, hier sitzt man also zwischen allen oder sucht vergeblich seinen Platz. An die Rückwand wird meist ein Nachthimmel projiziert, der mag als Sternenzelt für die Liebe der Hauptfiguren stehen, eher aber für ihre Unbehaustheit.

Gehrt lässt die Akteure oft mit viel Raum zwischen sich spielen. Sind sie nah beieinander, scheinen ihnen oft große Gesten vorgeschrieben zu sein. Beides verhindert, dass die Schauspieler glaubwürdigere Interaktionen miteinander entwickeln können, die von der Sprache getragen werden. Schade.

Das betrifft vor allem Helen Wendts Luise und Cornelius Geberts Ferdinand. Wie sie am Ende umständlich lange an Ferdinands vergifteter Limonade sterben müssen, das ist schon opernverdächtig. Weniger theatralische Posen täten gut.

Angemessen scharf gibt Bruno Winzen Ferdinands Vater, glaubwürdiger als der Rest ist auch Felix Banholzer als Sekretär Wurm, der maßgeblich an der Intrige zur Entzweiung des Paares mitwirkt. Er fügt der Niederträchtigkeit seiner Handlungen nicht auch noch das böse Gesicht hinzu, gut so.

Warum der schon von Schiller als Hofschranze angelegte Hofmarschall von Kalb mit einem Roller noch weiter zur Karikatur heruntergeputzt werden muss, man weiß es nicht. Ronny Tomiska wehrt sich tapfer. Nele Jung als Lady Milford hingegen entgeht nicht unangemessener Theatralik.

Der wie immer stimmgewaltigste im Ensemble ist Joachim Henschke als Vater Miller, ihm gelingt zusammen mit Wendt der anrührendste Dialog des Abends, wenn er sie von dem Plan zum Selbstmord abhalten will. Esther Keil als Mutter Miller erspielt sich am Anfang mit der von ihr gewohnten Präsenz schnell ihren Raum, ihre Rolle ist jedoch leider schnell abgespielt. Das Premierenpublikum spendete freundlichen Applaus.