Kultur Ein Stoff, Mumien und fremde Militärs

Krefeld · Annette Schieck, Leiterin des Deutschen Textilmuseums, hat ihre Erkenntnisse zu einem besonderen Exponat vorgestellt.

Das sassanidische textile Exponat wurde jüngst von der Museumsleiterin erforscht.

Foto: Andreas Bischof

Am Deutschen Textilmuseum werden nicht nur Ausstellungen vorbereitet und gezeigt, Exponate gehegt und gepflegt, um sie möglichst gut und lange zu erhalten, sondern am Haus wird auch ganz aktiv geforscht. Und ohnehin, die aktuellen Neuigkeiten aus dem Linner Haus lassen sich erst wirklich einordnen und erklären, wenn man ein bisschen die wissenschaftliche Seite der städtischen Institution beleuchtet.

Krefelder Forschungen für eine wissenschaftliche Festschrift

Museumsleiterin Annette Schieck und ihre Kolleginnen stellen in loser Folge immer wieder Zwischenergebnisse ihrer Forschung vor, präsentieren auch mal besonders herausragende Exponate aus der extensiven Sammlung des Hauses, auch wenn diese eben derzeit nicht ausgestellt sind.

In der Wissenschaftswelt gibt es besondere „Regeln“ und „Traditionen“ – eine dieser Bräuche sind sogenannte „Festschriften“, die als wissenschaftliches „Geschenk“ für besondere Anlässe herausgegeben werden. Zumeist für eine bestimmte Person, einem Professor etwa. In diesem Fall für Sabine Schrenk, Professorin der Christlichen Archäologie in Bonn. In diesem Sammelband mit dem Titel „Contextus“ findet sich eine Arbeit von Schieck, die sich einem besonderen Exponat in der Sammlung des Textilmuseums widmet. In „Perlenschüre, Edelsteine und Goldanhänger. Ein sasanidischer Samit aus Antinoopolis im Deutschen Textilmuseum Krefeld“ hat sich die Archäologin Schieck ganz tief in die Geschichte und Eigenschaften eines aus dem 5. bis 7. Jahrhundert stammenden Seidengewebes vertieft. Der wegen der verwendeten Technik „Samit“ genannt wird.

Annette Schieck ist Leiterin des Textilmuseums in Krefeld.

Foto: Andreas Bischof

Und die Geschichte dieses Objekts ist wirklich spannend. Denn der Stil, in dem der Stoff angefertigt sei, passe eigentlich gar nicht an die Stelle, von der er herstamme. In Antinoopolis gibt es ein Phänomen von etwa 30 männlichen Mumien, die zwar nach ägyptischer Sitte bestattet wurden, aber von ihrem Äußeren, zu dem nicht nur die Kleidung, sondern auch die Haartracht gehört, aus östlicheren Gefilden zu stammen scheinen. Aus dem sassanidischen, also persischen Kulturkreis stammend, erklärt Schieck. So sind auf dem Stoff, der als Verzierung für einen Mantel diente und aus einem großen Stoff in Streifen für diesen Gebrauch seinerzeit zugeschnitten wurde, auch Symbole, die an persische Könige erinnern. Muster wie Perlen oder auch tropfenförmige goldene Anhänger, die sich als Samit-Gewirk im Stoff finden, stammen aus der persischen „Herrscherikonografie“.

Übrigens ein Zwilling dieses Bruchstücks, das überraschender Weise erst 2016 zum ersten Mal am Haus ausgestellt wurde, findet sich in London. Doch wie gelangte dieses Stofffragment seinerzeit nach Krefeld? Um dies herauszufinden, bedurfte es eines Zufallsfundes, erläutert die Museumsleiterin: Eine Wasserfarben-Malerei, die signiert ist und aus 1887 stammt. Sie zeigt die „Anmutung“, es ist keine exakte Kopie, des Musters und hat sich in einem der Mappen aus der Zeit des damaligen Schulbetriebs an der Studiensammlung befunden. Also muss das Objekt vor dieser Zeit angekauft worden sein. Der Londoner Zwilling – indes besser erhalten – sei erst 1890 gekauft worden. So oder so, genaueres lässt sich leider nicht mehr über die Provenienz sagen, denn die Unterlagen zur Sammlung in Krefeld wurden im Krieg zerstört. Ein Geheimnis. Vermutlich aber eine Raubgrabung im 19. Jahrhundert.

Ähnlich dem Geheimnis, wer diese sonderbaren Männer seinerzeit gewesen seien, die die Tracht aus fernem Lande in Ägypten trugen. Sie könnten eine militärische Einheit sein, meint Schieck; vielleicht eine Einheit zur Überwachung des Handels? Die Forscherin könnte noch so manches Geheimnis über diesen Stoff erzählen.