Geigerin liegt auf der Lauer
Zum russischen Abend hatten die Sinfoniker Viviane Hagner und ihre Stradivari zu Gast.
Krefeld. Vertrautes kombiniert Generalmusikdirektors Mihkel Kütson gern mit Entdeckungen: So war es auch beim russischen Abend zum Einstieg in die neue Konzertsaison. Die Vorbereitungen für die Premiere „Der Rosenkavalier“ am 21. September bewogen Kütson jedoch, Jac van Steen das Pult zu überlassen.
Er begann am Dienstag im Seidenweberhaus mit der Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“ von Peter Tschaikowsky — das erfordert die große Orchesterbesetzung. Die berühmte Romanze gelingt den Niederrheinischen Sinfonikern bestens: Sie zeichnen sehr fein die Liebesgeschichte nach, bringen Emotionen und Leidenschaft zum Ausdruck, ohne dick aufzutragen.
In die Rubrik „Entdeckung“ gehört das Violinkonzert Nr. 2, das Sergej Prokofjew 1935 für den französischen Geiger Robert Soetens schrieb. Für die Aufführung mit den Sinfonikern hatte Kütson Viviane Hagner engagiert — mit einer Stradivari aus dem Jahr 1717. Der Klang des historischen Instruments wird sofort hörbar, denn die Solistin beginnt ohne Begleitung.
Die klagende russische Weise wechselt mit virtuosen Passagen, bei denen das zahlenmäßig reduzierte Orchester zum Einsatz kommt. Hagner liegt wie auf der Lauer für ihre Einsätze, in sichtlich intensiver Kommunikation mit den Sinfonikern, um dann temperamentvoll oder einfühlsam lyrisch ihre Stimme einzubringen. Es ist eine Freude, dieser zurückhaltenden „Teufelsgeigerin“ zuzuhören. Manches Mal erdrückt der Tutti-Klang des Orchesters das Geigenspiel, das gefühlt kaum über ein Mezzoforte hinaus reicht. Die Feinabstimmung hätte in diesen Passagen besser sein können.
Nach der Pause wird es wieder eng auf der Bühne, denn für Sergej Rachmaninows Sinfonische Tänze op. 45 müssen viele Register gezogen werden. Für die Klangfarben sind unter anderem Saxophon, Harfe und Klavier gefragt. Das kontrastreiche Spiel, das fast mehr das Sinfonische als das Tänzerische in den Vordergrund zu heben scheint, verlangt dem Orchester viel ab. Mit Glanz meistert es diese Aufgabe und zeigt, dass es bestens für die neue Saison aufgestellt ist. Der kräftigste und längste Applaus des Abends bricht los.