In Schlappen durch die Ruine

Fünfmal Beckett im TAM: Allein für den Auftritt des Hausherrn als alternder Schriftsteller lohnt sich der Abend.

Krefeld. Samuel Beckett erhielt 1969 den Nobelpreis für Literatur. Von seinem Stück „Warten auf Godot“ ist den meisten wenigstens noch der Titel geläufig. Ansonsten aber ist der Ire, der vor fünf Jahren 100 Jahre alt geworden wäre, in Vergessenheit geraten. Auf den Spielplänen der Stadttheater tauchen seine Werke kaum noch auf. Das Fischelner Theater am Marienplatz (TAM) präsentiert vor Becketts Geburtstag am 13. April gleich fünf Stücke des Autors.

An den Anfang hat Hausherr Pit Therre „Das letzte Band“ (1958) gesetzt. Er selbst spielt Krapp, einen alten Schriftsteller, der sein Leben auf Tonbändern archiviert. Krapp hört sich die Aufzeichnung seines 30 Jahre jüngeren Alter Egos an, das wiederum eine noch frühere Aufnahme kommentiert: „Schauerlich.“ Der Alte schimpft: „Hörte mir den albernen Idioten an, für den ich mich vor 30 Jahren hielt.“

Das muss man sich ansehen, wie Therre in unsäglichen Hausschlappen durch die Ruine einer Existenz tapert. In 50 Minuten scheint ein ganzes Leben in seiner Vergeblichkeit auf — das alleine lohnt den TAM-Besuch.

Es folgen drei kürzere, recht formale Stücke. In „Ohio impromptu“ (1981) sitzen zwei Männer an einem Tisch. Perücken machen Stefan Otto-Bach und Karsten Lehl optisch zu Zwillingen. Lehl liest aus einem Buch, Otto-Bach unterbricht ihn durch Klopfen auf den Tisch. Das fragmentarische Resümee hebt bezeichnenderweise an mit: „Es bleibt nicht mehr viel zu sagen.“

Eine Frau am Abend ihres Lebens schaukelt auf einem Schaukelstuhl. Ulrike Jansen spielt sie in „Rockaby“ (1981). Als Stimme aus dem Off erinnert sie sich an die Mutter, die in dem Schaukelstuhl gestorben ist. Die Worte „Zeit, dass sie endet“ spricht sie live mit. Dann tritt eine Pause ein, bevor sie krächzend „Weiter“ fordert — und selbst wegdämmert.

Jansen, Nina Sträter und Anke Janssen sind Mei, Su und Lo in „Kommen und Gehen“ (1965). Eine Akteurin verschwindet jeweils kurz, eine der Verbliebenen flüstert der anderen etwas über die Abwesende ins Ohr, unhörbar fürs Publikum. Auf das Geflüster folgt stets ein entsetztes „Oh“.

Zum Schluss dann „Die Katastrophe“. Hier wird ein stummer Protagonist (Otto-Bach) von einem Regisseur (Lehl) und seiner Assistentin (Sträter) für eine Präsentation „hergerichtet“. Diese Machtdemonstration endet mit dem Satz: „Wir haben sie im Griff, unsere Katastrophe.“ Das Ensemble jedenfalls hat den Beckett-Abend bestens im Griff.