Jazzkeller: Der sparsame Gesang einer Schamanin
Sidsel Endresen überzeugt mit ihrer Gesangstechnik, die Geräusche integriert. An ihrer Seite spielt Hakon Kornstad.
Krefeld. Sie sitzt auf einem Stuhl. Eine Frau, die roten Haare leicht zusammengebunden. Die Kleidung ist schlicht, die Hände hat sie ineinander gelegt. Sie sieht fast unscheinbar aus. Nichts an ihrer Erscheinung bereitet einen jedenfalls darauf vor, was passiert, wenn diese Frau singt. Die Norwegerin Sidsel Endresen gastierte jetzt mit ihrem Landsmann Hakon Kornstad auf Einladung des Jazzklubs im Jazzkeller. Es war ein Konzert, das man nicht so schnell vergisst.
Der Saxophonist Kornstad gastierte letztes Jahr in der Mennonitenkirche mit einem beeindruckenden Soloprogramm. Sein Hauptinstrument ist das Tenor, manchmal setzt er auch einen Querflötenkorpus mit einem Klarinettenmundstück ein.
Sein besonderes Markenzeichen aber ist der Einsatz eines Echogeräts. Damit kreiert er sehr komplexe Tonschleifen (Loops), wobei er mit Klappengeräuschen und Plopptönen auch perkussive Elemente erzeugt, über die er dann Melodien setzt. Diese schon ganz eigene Klangwelt Kornstads bildete jetzt das Fundament für Endresens Auftritt.
Und dann fängt Sidsel Endresen an zu singen. Die Stimmlage ist Alt, rau grundiert. Die Worte versteht man nicht, sie scheinen einer Phantasiesprache zu entstammen. Und trotzdem versteht man etwas, meint etwas zu verstehen, denn Endresens Singen hat eindeutig einen erzählenden Duktus.
Später wird sie auch englisch singen, wird Geräusche in ihr Singen integrieren, manchmal ein Zischen, dann pfeifende Töne, die an Walgesänge erinnern.
Einmal beginnt sie ein Stück stotternd, dann fällt einem Zuschauer ein Glas um. Das überraschende Geräusch in der andächtigen Stille bringt Endresen zum Lachen, sie muss sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischen. Übernimm du mal, winkt sie zu Kornstad hinüber, der eines seiner wenigen Soli einschiebt.
Endresens Gesangstechnik ist enorm, aber sie setzt ihre Mittel höchst sparsam ein - eine Meisterin, eine singende Schamanin. Die Stücke, die sie mit Kornstad im Jazzkeller spielt, sind alles Erfindungen des Abends. Nichts erscheint vorbereitet, die Formen entsprechen keinem Lied- oder Stückschema.
Das ist einerseits avantgardistische Musik, andererseits hat sie diesen archaischen Touch, diese Authentizität des durch eigene Erfahrung beglaubigten Erzählens. Und in ihrer Eigenart ist diese unscheinbare Frau mit ihren roten Haaren ganz einzigartig, das spüren die Zuschauer. Viel Applaus für Endresen und auch Kornstad, der seine Kollegin ganz uneigennützig begleitete.