Jazzherbst Trompetenmelodien mit politischen Statements
Krefeld · Jaimie Branch und ihr Quartett beendeten den Jazzherbst des Jazzklubs Krefeld im Theater.
Es begann weich und sanft. Mit an eine Spieluhr erinnernden Klängen der M‘bira, einer Variante des afrikanischen Daumenklaviers, bedient von Schlagzeuger Chad Taylor. Hinzu traten Cello und Kontrabass, pizzicato gespielt, und dann legte Bandleaderin Jaimie Branch auf der gedämpften Trompete darüber noch eine elegische Phrase à la Miles Davis. Das ging natürlich nicht so weiter.
Nach wenigen Minuten schon gab es mächtig auf die Ohren von der ursprünglich aus Brooklyn stammenden Branch und ihrem Bandprojekt Fly Or Die, die den Jazzherbst des Jazzklubs Krefeld im Foyer des Theaters vor ausverkauftem Saal mit einem so heftigen wie wüsten Stilmix aus Rock, Blues, HipHop, Funk, Latin und ein wenig Jazz beendeten.
Schlagzeuger Chad Taylor trat bereits mit Digital Primitves auf
Aus zwei ähnlich operierenden Bands muss man noch nicht unbedingt einen Trend basteln, aber das war jetzt schon auffällig: Nach den Digital Primitives im Oktober hatte sich der Jazzklub auch mit dem Quartett von Branch wieder eine Band eingeladen, die ihre Musik weniger intellektuell und akademisch anlegt.
Sicher ist es kein Zufall, dass in beiden Bands Chad Taylor das Schlagzeug bedient. Schon bei den Digital Primitves fiel er als wandelndes Groove-Lexikon auf. Seine stets druckvoll gespielten Rock- und Funkbeats glänzten wieder durch ihren Variantenreichtum, und beim Quartett von Branch rückte das Dauerfeuer von Taylor noch mehr in den Fokus.
Denn abgesehen von wenigen Rubato-Passagen, war die Musik von Branch sehr rhythmuslastig. Dazu trug auch bei, dass Cellist Lester St. Louis und Kontrabassist Jason Ajemian meist ihre Stimmen zu groovenden Ostinati verflochten, und dazu trug selbst Jaimie Branch mit ihrer Trompete bei, dem sie dann zwar Melodien entlockte, aber wie!
Alleine daran, wie kraftvoll sie in ihr Horn stieß, konnte man schon erkennen, dass sie die Trompete meisterhaft beherrscht. So konnte sie auch im hohen Register Druck und Lautstärke erzeugen, die beeindruckten. Dann beschränkte sie sich aber meist auf viertaktige Phrasen, eher einfach strukturiert, und in vielen Stücken bestand das Hauptspielprinzip dann auch noch in der Wiederholung.
Rein musikalisch betrachtet hätte das also ein langweiliger Abend werden können, vor allem auch dann, wenn man ihn an akademischeren Spielarten des Jazz misst. Hatte man sich aber erst einmal damit abgefunden, dass Finesse in der Harmonisierung, in der virtuosen Ausführung von Soli, in der Kunst des Arrangements und so fort bei Jaimie Branch nachrangig zu betrachten sind, dann wurde es eine runde Sache.
So wie Branch ihre Phrasen heraushaute, muss man bei ihren Linien eher von Statements sprechen als von Melodien. Und die mantrahaften Wiederholungen zogen einen immer mehr auf sehr emotionale Weise in den Strudel der Grooves. Branchs Ziel ist es ganz offensichtlich, ihr Publikum in Bewegung zu versetzen, ohne es einzulullen, und ganz bestimmt will sie eben nicht eine weihevolle Konzertatmosphäre schaffen. So wie sie und ihr Quartett agierten, könnte man sie sich genauso gut als Band von Straßenmusikern vorstellen, die ihre Botschaft kraftvoll in den Strom der Passanten hineinbläst.
Dass Branch auch singt und vor allem, was sie singt, passt denn auch ins Bild. Ihr „Prayer for America“ ließ jedenfalls keinen Zweifel daran übrig, dass es Politiker wie der Twitter-Präsident Trump sind, die ein Gebet für ihr Heimatland nötig machen. Der „Lovesong for Assholes and Clowns“ am Ende, dessen Refrain das Publikum bereitwillig mitsang, geriet da schon fast zu lieblich. Viel Applaus im Theaterfoyer, eine Zugabe.