Kinderkleidung: Wickeln konnte früher tödlich sein
Die Ausstellung in Linn beleuchtet auch ein dunkles Kapitel der Kindererziehung.
Krefeld. Der Kinderwagen ist eine britische Erfindung des 19. Jahrhunderts. Davor wurden Kinder getragen, wenn man mit ihnen nach draußen ging. Für den Spaziergang gab es eine Austraggarnitur: ein Kissen und eine Decke, eine Haube und ein Kleid.
In der Ausstellung „Der Kinder bunte Kleider“ im Textilmuseum ist eine ganze Vitrine voller Hauben zu sehen. Es sind kunstvoll gearbeitete Stücke, die man den Babys aufsetzte. Schon damals war bekannt: Ein Mensch verliert die meiste Wärme über den Kopf.
Die einzelnen Teile der Baby-Garnitur wurden als Ensemble gearbeitet, aus denselben Stoffen, mit denselben Mustern, Ton in Ton. Manche dieser Kleider haben Ärmel: Sie waren für ein Wickelkind gedacht, das wenigstens seine Arme bewegen durfte.
Selbstverständlich war dies nicht. Kunsthistorikerin Uta-Christiane Bergemann hat sich in Vorbereitung der Schau mit dem Wickeln befasst. „Dabei ist mir manchmal zum Heulen gewesen“, sagt sie. Denn beide damals üblichen Methoden haben den Kindern viel Leid gebracht.
Das Wickeln kennt man schon aus der Antike. Auf Gemälden aus der Renaissance ist deutlich zu sehen, wie man es damals machte: „Bei dem Maler Giotto ist Christus bis zum Kopf eingewickelt, selbst die Arme kann er nicht bewegen“, sagt Bergemann. Und so wurde es auch im Barock gehandhabt. Die Absicht dahinter: Man wollte den Kinderkörper formen und ihm mit den langen Leinenbändern eine gerade Gestalt geben. Ein unbewegliches Kind konnte nicht herunterfallen, und es war sicher verwahrt.
Doch die Babys konnten nicht strampeln und meist auch den Kopf nicht bewegen. Dadurch war ihre emotionale Entwicklung sehr eingeschränkt, ihre Wahrnehmung eingeengt. Außerdem wurden Kinder auf diese Weise ruhig gestellt. Aus heutiger Sicht ist es klar, dass das enge Wickeln eher schadet als nützt. Für manche Kinder endete es mit Verkrüppelung, bei einigen sogar tödlich: Sie erstickten unter den Bändern um ihre kleinen Körper.
Einen ersten Impuls gegen dieses Wickeln gab es von John Locke. Der Philosoph setzte sich für die Bewegungsfreiheit der Kinder ein. Aber es dauerte Jahre, bis die Schädlichkeit des strammen Wickelns erkannt wurde. In Russland wird das bis heute noch manchmal so gemacht — wie ein Foto in der Ausstellung zeigt.