Klamms Krieg: Schüler erleben Klassenzimmer-Stück des Stadttheaters
Ein Lehrer rastet aus: Wie sehr dieser Stoff Schüler packt, war am Montag im Arndt-Gymnasium zu erleben.
Krefeld. Zögernd betreten die Schüler die Klasse. Sie wissen nicht recht, was sie erwartet. Die Jugendlichen der zwei Deutsch-Leistungskurse der Stufe 12 im Arndt-Gymnasium sind die ersten, die die mobile Produktion „Klamms Krieg“ erleben. Bis April kann das Klassenzimmer-Stück des Stadttheaters von Schulen gebucht werden.
Die Kulisse ist ein normaler Klassenraum, wie die Schüler ihn kennen — doch die Stunde wird heute ganz anders ablaufen als sonst. Bevor es losgeht, herrscht nervöse Stille. Dann geht die Tür auf, und Lehrer Klamm kommt herein. Er ist streng, begrüßt die Schüler und donnert: „Sie brauchen nichts zu erwidern.“
Gespielt wird der Lehrer von Markus Rührer. Das Ein-Personen-Stück von Kai Hensel beschreibt seinen Niedergang, den Absturz eines Pädagogen, der behauptet, dass ein guter Lehrer nicht beliebt sein darf. Der Schüler Sascha, der zum Abitur nicht zugelassen wurde, weil Klamm ihm einen Punkt zu wenig gegeben hatte, hat sich das Leben genommen. Daraufhin erklärt eine Oberstufenklasse dem Lehrer den Krieg. Bis er sich entschuldigt hat, will sie ihn anschweigen.
Rührer bezieht die Gymnasiasten ein, spricht einzelne Schüler direkt an — und die nehmen die Rolle der stillen Rebellen ein. Das Konzept geht auf. Die Jugendlichen sind mucksmäuschenstill und wirken konzentriert. „Haben Sie schon mal an Saschas Stelle gestanden?“, fragt Klamm. Das Leben in diesem Alter sei schwer, da führe ein einzelner Auslöser nicht zum Selbstmord.
Anfangs noch stark und kühl, wird dem Zuschauer schnell klar, dass Klamm innerlich zerbrochen ist. Von Tag zu Tag wird er ehrlicher, erzählt von seinem Leid. Er wird nicht mehr gegrüßt, auch die Kollegen im Lehrerzimmer rücken von ihm ab. Immer verzweifelter versucht er, die Gunst der Schüler zurückzugewinnen.
Der Wille der Jugendlichen, ihrem Zorn gewaltfrei Ausdruck zu verleihen, sei gar lobenswert und verdiene Respekt. Auch mit guten Noten versucht er, die Schüler wieder auf seine Seite zu ziehen. Doch schließlich bricht er zusammen. „Sie reden von Krieg? Ich führe ihn seit 20 Jahren.“ Er outet sich als Alkoholiker, trinkt vor der Klasse Wodka und rastet aus.
Bei den Schülern kommen besonders die Schockeffekte des Stücks gut an, so zum Beispiel bei Simone Dolibog: „Es war spannend und schauspielerisch sehr gut. Ich war oft erschrocken, und viele Situationen kamen sehr unerwartet.“ Auch Lehrerin Mathilde Boddin ist angetan: „Als Lehrer überdenkt man seine eigene Position. Das Stück lädt sowohl Lehrer als auch Schüler zur Selbstreflexion ein.“
Bei der anschließenden Diskussion wird schnell klar, dass der Stoff die Schüler gepackt hat. Theaterpädagoge Dirk Schwantes, Regisseur Daniel Minetti und Schauspieler Rührer diskutieren mit den Zwölftklässlern über die Authentizität des Stücks und die Qualität von Lehrern. „Man merkt, dass die Schüler sehr aufmerksam zugehört haben — und auch wir haben einiges von ihnen erfahren“, sagt Dirk Schwantes am Ende zufrieden.