Jubiläum von George Tabori Neues Stück im Kresch-Theater: Moralisch entkrampfend und voller Liebe
Das Kresch-Theater bringt George Taboris „Jubiläum“ von 1983 auf die Bühne. Es geht, auch mit Humor, um die Opfer der NS-Zeit.
„Wir in der Gegenwart erzählen die Geschichte der Vergangenheit und wollen die Zukunft gestalten.“ So sagt es der Dramaturg und Theaterpädagoge Helmut Wenderoth, der an der Seite der Regisseurin Isolde Wabra das Stück „Jubiläum – Unterwegs in die Vergangenheit“ auf die Bühne des Kresch-Theaters bringt. Die Vergangenheit, das ist die NS-Zeit. 75 Jahre ist das alles her, doch immer wieder tritt der Ungeist von damals hervor. „Die Ereignisse von Halle haben das Stück natürlich wieder brisant gemacht“, sagt Wenderoth. Am 9. Oktober hatte ein Neo-Nazi versucht, in einer Synagoge einen Massenmord anzurichten.
Das Theater inszeniert das Werk „Jubiläum“ von 1983 von George Tabori, den Wenderoth gerne kennengelernt hätte: „Seine Liebe zu den Schauspielern, sein Witz, seine Art, Geschichte zu erzählen ohne zu verurteilen.“ Isolde Wabra meint: „Wir erzählen Einzelschicksale von Menschen. Tabori spart das Lachen nicht aus. Das spricht junge Leute an. Es lebt von Menschen, nicht von Effekten.“ Das Stück richtet sich mit der Premiere am 24. Januar an Kinder und Jugendliche und fällt zeitlich zusammen mit dem Internationalen Gedenktag der Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar.
Schlicht gehalten ist die Bühne. 25 Bretter symbolisieren Gräber auf einem jüdischen Friedhof am Rhein. In einer Szene treibt dort der Neo-Nazi Jürgen, alias Markus Bachmann, sein Unwesen. Er beschmiert die Grabsteine mit Hakenkreuzen. Doch plötzlich kehren die Toten wieder zurück. Der Musiker Arnold (Angelo Enghausen-Micaela) mit Frau Lotte (Britta Weyers), das schwule Paar um den Friseur Otto (Bachmann) und Helmut (Johannes Stelzhammer), das spastisch behinderte Mädchen Mitzi (Linda Klein). Wenderoth selbst taucht als Geist von Arnolds Vater auf. Nur der Totengräber Wumpf (Thomas Jansen) und der Neo-Nazi Jürgen sollen im Stück die Lebenden darstellen. Obwohl das im Sinne Taboris auch nur schemenhaft bleibt. „Seine Bezüge sind immer Andeutungen“, sagt Wenderoth.
Die Toten wurden in ihr Verderben getrieben oder ermordet
Einzig die Erzählerin (Cloti Peukes) ist ein Lichtpunkt im Stück. „Es gibt immer ein bisschen Hoffnung“, sagt sie: „Ich verkörpere das.“ Der Neo-Nazi Jürgen ist ein Klischee: Glatze, Turnschuhe, Lonsdale-Pulli, dann streift er sich noch die schwarze Jacke mit Hakenkreuz-Armband über. Er schwärmt von dem NS-Arzt Josef Mengele, macht derbe Judenwitze und schüchtert einen Polen ein. Mitzi ist 18 Jahre alt, hat Spastiken und begeht im Nachkriegsdeutschland Selbstmord, indem sie ihren Kopf in einen Gasofen steckt. Der Totengräber Wumpf liebt die Gräber, hält sich gerne auf dem Friedhof auf, hat Spaß an der Sache. Helmut lebt homosexuell, will sich behandeln lassen und begeht in der Klinik Selbstmord. Arnold ist immer noch verliebt in Lotte, beide sterben in der Nachkriegszeit.
Die Toten waren allesamt in ihr Verderben getrieben oder ermordet worden. Sie haben nur eine Chance auf Erlösung – die Hoffnung auf Erinnerung. Opfer und Täter spielen um ihr Leben. Heiterkeit und Witz sind jedoch auch allerorten anzutreffen. Der eigentlich düstere Hintergrund wird aufgehellt. Die Erinnerungen sollen am Leben bleiben, bis die Bagger im Morgengrauen aus dem Friedhof einen Spielplatz machen wollen. Das Vergessen-Werden droht.
Das Schauspiel sei moralisch entkrampfend, grausam, aber auch voller Liebe, schreibt das Kresch-Theater in seiner Vorschau. Die Hinrichtung der 20 Kinder am Bullenhuser Damm in den letzten Kriegstagen 1945 nimmt ebenfalls einen großen Raum im Stück. „Wir haben eine große Verantwortung, die Erinnerung am Leben zu halten“, sagt Regisseurin Isolde Wabra.