Kunst als Materialforschung
Zwölf namhafte internationale Künstler stellen 2014 in den Mies-Villen aus. Und eine junge Italienerin befasst sich mit Seidenkultur.
Krefeld. Krefelds seidene Geschichte ist für gewöhnlich am Linner Andreasmarkt zu Hause — und bald wieder an der Luisenstraße, wo im April das Haus der Seidenkultur neu eröffnet. Doch in diesem Jahr werden sich auch die Kunstmuseen mit der Textilgeschichte der Stadt beschäftigen. Die Mies-van-der-Rohe-Stipendiatin Rossella Biscotti recherchiert aktuell zu diesem Thema und wird es wohl in ihrer Ausstellung ab September künstlerisch aufgreifen.
„Ihre Werke basieren stark auf Archivarbeit und auf Interviews“, erklärt die stellvertretende Museumsdirektorin Sylvia Martin. „Sie interessiert sich für Orte und historische Spuren.“ So hat Biscotti bei der 55. Biennale von Venedig mit Insassen eines Frauengefängnisses über deren Träume gesprochen. Das Ergebnis war ein Grundriss aus gepresstem Kompost, der, je mehr er austrocknete, umso tiefere Risse bekam. In einer anderen Ausstellung hat Biscotti mit Blei und Kabeln aus einem stillgelegten Atomkraftwerk gearbeitet.
Parallel zur Biscotti-Ausstellung in Haus Esters werden nebenan in Haus Lange Arbeiten zum Nam June Paik Award 2014 gezeigt. Der Preis, der an den koreanischen Pionier der Medienkunst erinnert, wird seit 2002 von der Kunststiftung NRW vergeben, die nun erstmals die Krefelder Museen als Ausstellungsort ausgewählt hat.
Vor den Projekten im Herbst plant Sylvia Martin ab April die große Gruppenschau „Living in the Material World“, mit der beide Villen bespielt werden. Zwölf internationale Künstler, in deren Arbeiten das Material eine hervorstechende Rolle spielt, sind eingeladen, darunter Alicja Kwade, deren Ausstellung „Grad der Gewissheit“ noch bis Mitte Februar in Haus Esters zu sehen ist.
Auch der Amerikaner Theaster Gates, der bei der Documenta in Kassel mit seinem Hugenottenhaus für Furore gesorgt hat, wird dabei sein. Sein Landsmann Oscar Tuazon, der im Februar eine Einzelausstellung im Museum Ludwig in Köln bekommt, steht ebenfalls auf der Liste — obwohl er in anderen Museen mit seinen Gerüstsystemen, die Decken und Wände durchstoßen, schon manchen Statiker zur Verzweiflung gebracht hat.
Zwischen den Ausstellungen werden wieder die Krefelder Architekturtage „Mehr Mies“ angeboten, einmal zum Thema Bauhaus (21. bis 23. Februar), einmal zur Fotografie (22. bis 24. August). Im März bleiben die Villen, wie berichtet, komplett geschlossen, da in Haus Lange eine defekte Jalousie aufwendig ausgetauscht werden muss.