Kultur in Krefeld „Tod der sinnlosen Grübelei”

Krefeld · Drei Künstlerinnen stellen in Flavia Latinas Bistro Angolo aus – derzeit einsehbar durch große Fensterfronten.

Die Künstlerinnen Kerstin von Klein (von links),  Mauga Houba-Hausherr sowie Inhaberin Flavia Latina im An-Go-Lo.

Foto: Andreas Bischof

Der Kunst hat Flavia Latina in ihrer italienischen Bistro-Bar „An-Go-Lo“ schon immer einen Raum gegeben. Neben Kaffee und ausgesuchten Speisen bietet sie ihren Gästen stets auch Kunstgenuss an. Jetzt ist alles anders. Im Teil-Lockdown gibt es keine Besucher und keinen Kaffee mehr. Schöne Werke sind dagegen weiterhin im Raum mit der gläsernen Front an der Angerhausenstraße zu sehen. Die Krefelder Künstlerinnen Mauga Houba-Hausherr, Kerstin von Klein und Beata Gruca Wepa aus Polen zeigen dort auch jetzt ihre Werke.

Das Leben der Geschäftsfrau ist in diesem Corona-Jahr nicht einfach. Flavia Latina berichtet: „Der Lookdown im Frühjahr und die derzeitigen Bestimmungen bringen mich an den Rand der Existenz. Sie sind für mich als Alleinerziehende eines zwölfjährigen Kindes eine Katastrophe.“ Sie hat über den Steuerberater beim Bund einen Antrag auf Unterstützung gestellt und hofft auf Geld im Februar. Dennoch bietet sie den Künstlern weiterhin einen Raum. „Ich bin ja selbst eine Überlebenskünstlerin“, erklärt die kreative Frau und lächelt. „Das Geschäft verändert sich durch die Werke magisch. Jeder Künstler bringt Magie hinein.“

Die 45-Jährige hat eine Ausbildung als Visual Merchandiserin absolviert, und weiß, von der Fläche, über Wände bis zum Schaufenster mit Hilfe von Formen, Farben und Einrichtungsgegenständen eine perfekte und auch umsatzsteigernde Atmosphäre zu schaffen. „Mit der Errichtung warmer und kalter Zonen kann der Blick der Menschen zielgerichtet werden“, sagt sie. Derzeit gibt es im „An-Go-Lo” einige Hingucker. Die drei Künstlerinnen haben sich unter der Überschrift „Och Meeensch . . .“ mit menschlichen Figuren auseinandergesetzt.

Mauga Houba-Hausherr ließ sich jetzt, zu Corona-Zeiten von der Aktion „Draußen vor der Tür“ inspirieren. Musiker haben dabei vor und für Lokale gespielt, die es in dieser Zeit besonders schwer haben und in ihrer Existenz bedroht sind. Die Künstlerin füllt die lange weiße Wand mit großen Gemälden, Tusche auf Leinwand. „Zu Corona-Zeiten habe ich die Farbe weggenommen“, sagt Houba-Hausherr. „Ich war mit der Staffelei auf der Straße, war Teil des Geschehens. Ich habe realisiert, was in der Stadt geschieht und habe die großformatigen Bilder für diesen Raum geschaffen“, erläutert sie. Ihre fünf Bilder sind zusammengenommen sieben Meter lang. Vier hängen nebeneinander und zeigen Leute an besonderen Orten, die der Musik zuhören und die Künstler, die sie spielen: Heinz Hox am Bandoneon beispielsweise oder Künstler bei der Theaterplatz-Aktion „Distanz“, mit Bass und Saxofon. 

Kerstin von Klein hat ihre strahlend weißen Skulpturen auf Säulen ausgestellt. „Ich spüre die Architektur des Raumes“, erklärt sie. „Flavia Latina stellt ihn uns zur Verfügung und hilft uns in dieser Zeit.“ Durch die großen Fenster fällt Licht auf die Objekte, die natürlich wie alle, nur von außen zu sehen sind. Eines heißt „Tod der sinnlosen Grübelei“ und zeigt zwei Figuren. Kerstin von Klein: „Wir können uns auch zu Tode grübeln oder uns für das Leben entscheiden. Bei mir wird die Grübelei erwürgt.“ „Der Träumer“ ist dagegen völlig entspannt. Er liegt hingegossen da und träumt von besseren Zeiten. „Allesvielzuschwer“ heißt eine dritte Skulptur. Die Künstlerin gibt ihren Figuren gerne unverhältnismäßige Proportionen. Das heißt, sie hebt die Teile des Körpers heraus, die für die gewollte Aussage wichtig sind. Es fallen die überdimensional großen Hände auf.

Beata Gruca Wepa bestückt die gläserne Außenecke des “An-Go-Lo”. Auf dem Tisch steht eine kleine Staffelei, die ein Bild zeigt, das die gleiche Kaffeetasse zeigt, wie sie auch auf dem Tisch steht. Es sind feine schöne Aquarelle der polnischen Künstlerin. An der Wand hängen Frauengestalten der 30-er Jahre mit Zigarette oder Motorrad, oder Zuschauer von hinten gemalt bei einem Konzert. Es passiert etwas auf den Bildern. Auch bei dem gemalten Paar. Es zeigt „Sie“ fest umrissen, „Ihn“ hinter Grau- und Blautönen, leicht verschwimmend.

Die Künstlerinnen wollen den Krefeldern aber noch mehr Freude bereiten. So wird Mauga Houba-Hausherr der Ausstellung, die bis Ende Dezember zu sehen ist, noch ein weiteres Werk hinzufügen: Sie malt ab dem 30. November „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ (aus dem Märchen der Gebrüder Grimm) an die Fensterscheibe. Dabei können die Passanten der Künstlerin zusehen. Die Geschichte liest Flavia Latina auf Facebook vor.