Menschenfeind: Jeder Freund dient der Karriere

Christoph Roos inszeniert Molières bekannten Stoff. Die versammelten Heuchler des Stücks stehen bei ihm auf wackligen Füßen.

Krefeld. Befreunde dich nur mit Menschen, die dir nützlich sein können. Dieser Tipp aus dem Führungskräfte-Workshop ist für Karrieristen geradezu logisch. Die Ressourcen Zeit und Energie sind nun mal begrenzt — warum also sollte man sich mit Leuten abgeben, die man nur nett findet?

Themen wie dieses, die perfekt ins Zeitalter virtueller Netzwerke passen, entdeckt Regisseur Christoph Roos in Molières 350 Jahre alter Komödie „Der Menschenfeind“ (Premiere am Samstag). Deren Hauptfigur Alceste ist eine Art Urkämpfer gegen die Heuchelei, die früher bei Hofe stattfand und heute im Geschäftsleben. „Wenn ich einen Intendanten treffe“, gesteht Roos, „bin ich auch eher freundlich als ehrlich.“

Nun hat er bereits mit „Experiment“ und „Roberto Zucco“ bewiesen, dass er Stoffe ungern dadurch entzaubert, dass er ihre Deutung auf dem Silbertablett serviert. Auch den „Menschenfeind“ verlegt er mitnichten ins Frankfurter Bankenviertel. Roos bleibt abstrakt: Mit Hilfe seines Bühnenbildners Peter Scior stellt er die Figuren auf eine elf mal acht Meter große wacklige Ebene, wo jeder unbedachte Schritt die Balance gefährdet. Die Menschen stehen unsicher und drohen herunterzufallen. „Für die Technik ist das eine riesige Herausforderung, weil eine Tonne Gewicht auf einem einzigen Punkt lastet“, erklärt Roos. „Wir wollen ja nicht, dass das Theater nach der Premiere ein halbes Jahr wegen Renovierung geschlossen bleibt.“

Neben Scior gehört auch Markus Maria Jansen inzwischen fest zum Team des Krefelders Roos. Der Frontmann von M. Walking on the Water steuert elektronische Klänge bei, die vor allem in Umbaupausen zum Einsatz kommen: „Molières Sprache ist so dicht, da kommt man gar nicht zwischen“, sagt der Regisseur.

Mit Dramaturg Martin Vöhringer hat er eine klassische Vers-übersetzung ausgewählt. Deren Witz und Feinheit machen Molières Werk erst zur Komödie, sagt Roos: „Thematisch ist das eher wie Tschechow oder Ibsen.“