Neue Textilmuseums-Leiterin: Neuer Blick auf alte Schätze

Annette Paetz genannt Schieck ist neue Chefin in Linn. Sie will das Haus modernisieren.

Krefeld. Die Regale sind halbleer, das Büro wirkt unfertig, und doch hat man das Gefühl, die Frau, die hier die Geschäfte führt, ist bereits angekommen. Das mag daran liegen, dass Annette Paetz gen. Schieck am Andreasmarkt in Linn keine echte Novizin ist. Die neue Direktorin des Deutschen Textilmuseums hat dort für Magister- und Doktorarbeit recherchiert, später eine Ausstellung über koptische Textilien kuratiert. Seit 15 Jahren kennt sie das Haus, die Mitarbeiter und die einzigartige Sammlung: „Ich fand immer, dass man dem Museum mehr Aufmerksamkeit schenken müsste.“

Dieser Satz gehört zu den ersten, die sie sagt, er klingt selbstbewusst und entschlossen. Obwohl Schieck die Regeln diplomatischer Vorsicht beherrscht und zum Interview einen Kollegen des Presseamtes dazu bittet, redet sie Klartext. Halbfertig mag das Büro sein, ihre Gedanken und Vorstellungen sind es nicht.

Sich so zügig „einzufuchsen“, wie sie es formuliert, ist auch eine Typenfrage. Schieck stammt aus einer Familie von Globetrottern. Geboren in Columbus/Ohio, weil der Vater, ein Kernphysiker, dort an der dortigen Uni tätig war, verbrachte sie ihre Jugend zwischen Köln und den USA, studierte Archäologie, Ägyptologie und alte Geschichte, war in Syrien an Ausgrabungen beteiligt. „Neugier, Offenheit und Improvisationstalent“ hat sie gelernt, „die Einstellung: Man kann überall sein und kommt überall zurecht.“

Nun also stellt sie sich — nach fünf Jahren in einem EU-Projekt zur Erforschung römischer Textilien — als 43-Jährige einer neuen Aufgabe. Abgeschreckt haben sie dabei weder der niedrige Ausstellungsetat noch die peinlich lange Suche nach einer Nachfolgerin für Brigitte Tietzel. „Wie man sieht, bin ich hier“, sagt sie dazu nur. „Schwierigkeiten kann man ja auch als Herausforderung betrachten. Von dem was war, will ich mich völlig frei machen.“

Während sie zunächst die bereits geplanten Ausstellungen begleitet, feilt sie bereits an den ersten eigenen Konzepten, die man ab 2013 in Linn sehen kann. „Ich möchte auch moderne Themen setzen und junge Besucher ins Haus holen“, erklärt sie schon jetzt. Dazu gehöre auch eine verstärkte Nutzung digitaler Medien. „Wo sie nötig sind, um Dinge zu illustrieren“, fügt sie hinzu.

Dass sie nicht blind modernisieren will, dafür spricht schon ihre altgeschichtliche Ausbildung und die Leidenschaft, mit der sie von Textilien spricht. „Kleidung war zu allen Zeiten ein Ausdruck von Identität“, sagt sie. „Diese Geschichten will ich erzählen.“

Schieck selbst hat natürlich auch eine, sie handelt von ihrer Großtante, die ihren eigenen Teppich gewebt hat, vom Scheren der Schafe um die Ecke bis zum Färben mit Zwiebelschalen. Geduld lernt man dabei und den Respekt vor den Mühen des Handwerks. Beides hat Schieck mit nach Linn gebracht.