Premiere: Das Leid eines armen Teufels

Im Stadttheater inszenierte Thomas Goritzki Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“ als ein Stück ohne Rührseligkeit.

Krefeld. Als "deutsches Märchen" ist Carl Zuckmayers "Hauptmann von Köpenick" untertitelt, als Kinorührstück kennt man es mit Heinz Rühmann. Jetzt hat es Thomas Goritzki kräftig entstaubt auf die Bühne des Stadttheaters gestemmt. Mit grobem Strich malt er zwar immer noch eine Karikatur des Bürgertums, das sich von Uniformen blenden lässt, verleiht aber dem Schicksal des kleinkriminellen Schusters Wilhelm Voigt (Sven Seeburg) einen anderen Akzent. Nicht dessen "Köpenickiade" interessiert ihn, sondern seine Arbeitslosigkeit und die Härte der Gesellschaft, die ihm Tun versagt.

Im Oktober 1906 spaziert Voigt in einer Hauptmannsuniform vom Trödler ins Rathaus von Köpenick, besetzt es mit ein paar aufgelesenen Soldaten und macht sich mit der Stadtkasse aus dem Staub. Das ist Geschichte. Ganz Deutschland lachte und das Ausland noch viel mehr. Als Zuckmayer das 1931 auf die Bühne bringt, will er vor den nach oben drängenden Nazis, vor erneutem Militarismus warnen.

Goritzki und Bühnenbildner Heiko Mönnich (Kostüme) lassen das Stück in einer Waschkaue spielen, einem symbolischen Ort für die untergegangene Arbeitswelt dieses Landes. Auf Arbeitssuche begegnet Voigt auch dem Logo der Bundesagentur für Arbeit. "Wer arbeiten will, der kriegt auch Arbeit", bekommt Voigt zu hören, als wäre er ein Hartz-IV-Empfänger, aber im Grunde geht die Aktualisierung nicht auf. An den grotesk verzerrten Funktionsträgern der Gesellschaft mit ihren aufgeblasenen Rundungen kleben eben dann doch die Orden von anno Tobak. Die heutige Eiseskälte trägt andere Gesichter.

Außer Seeburg muss sich das ganze Ensemble (Ralf Beckord, Ines Krug, Thomas Cermak, Joachim Henschke, Christopher Wintgens, Stefan Diekmann, Adrian Linke und weitere) mit mehreren Rollen abrackern, das gelingt nicht allen, ohne zu chargieren. Seeburg ist der einzige, der seiner Figur die ganze Tiefe geben darf. Das kann er ja. Man leidet mit ihm, dem herumgestoßenen armen Teufel, und seine Bitterkeit ist kein bisschen rührselig.

Goritzkis Inszenierung ist grell, und der Schlagzeuger Wolf Simon, der oft über der Szene thront, gibt ihr dräuende Atmosphäre und Rhythmus. Wenn er mal nicht da ist, gerät der lange Abend (drei Stunden) manchmal doch zu stockend. Eine Inszenierung mit vielen Schauwerten und einem famosen Hauptdarsteller.