Scharfer Blick auf alles, was davor geschah
Büchner-Preisträger Martin Mosebach liest am Donnerstag in Krefeld. Sein Stil ist nichts für sparsame Wort-Ökonomen.
Krefeld. Für Wort-Ökonomen ist der Roman „Was davor geschah“ von Martin Mosebach nicht geschrieben. Vielmehr für solche Leser, die ausführliche Beschreibungen lieben, die das Federkleid eines Kakadus in seinen Details bereichernd finden, die Thomas Mann schätzen.
Aus seinem jüngsten Roman liest Martin Mosebach am Donnerstag in der VHS, eine Veranstaltung zusammen mit dem Anderen Buchladen. Der Schriftsteller aus Frankfurt, Jahrgang 1951, wurde 2007 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Im Roman aus dem Jahr 2010 erzählt er die Geschichte mehrerer Menschen aus Frankfurt und Umgebung. Einige von ihnen sind reich, leben im Taunus und bewegen sich umeinander wie die Figuren in Goethes „Wahlverwandschaften“. Der Ich-Erzähler ist es, der die Fäden in 33 Kapiteln zusammenführt.
Sie sind kunstvoll verwoben, auf manche Auflösung wartet man den halben Roman lang. Der geheimnisvolle Baron Slawina etwa, der seine Wohnung an Paare untervermietet, die nicht in ein Stundenhotel gehen mögen, taucht erst nach 200 Seiten zum zweiten Mal auf.
Dann gibt es das lang verheiratete Ehepaar Rosemarie und Bernward Hopsten mitsamt deren Hausfreundin und Innenarchitektin Helga. Sie war es, die einen blütenweißen Kakadu als Dekorationsobjekt vorschlug — das Tier wird später schnöde bei E-bay versteigert. Am Ende sind alle Beziehungen beschrieben, alle Charaktere meisterlich vorgestellt, das Geflecht der Personen ist ganz neu gesponnen.
Die Affären und Liebschaften sind aber nicht der Kern des sprachmächtigen Romans. Der Kern liegt in der Kunst, diese Menschen zu beschreiben, als hätte man sie eben selber bei ihrem Tun und Treiben beobachtet, als wisse man um ihre Beweggründe und ihre Abgründe.
Martin Mosebach, „Was davor geschah“, Hanser, 2010. 21,90 Euro. Lesung in der Volkshochschule Donnerstag, 19.30 Uhr.