Schmutzige Klänge, entfesselt und kontrastreich

La Bicicleta zeigen mit eigenen Kompositionen die Bandbreite des Tango.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. „Es ist so schön, hier zu sein, wo die Menschen wissen, was ein Bandoneon ist.“ Dieses Kompliment machte die aus Berlin stammende Bandoneonistin Judith Brandenburg dem Krefelder Publikum in der Fabrik Heeder. Zwei Stunden lang begeisterte die Musikerin mit ihren Kollegen Javier Tucat Moreno (Klavier) und Florian Kellerhals (Violine) im ausverkauften Saal.

Seit fünf Jahren gibt es das Ensemble, das sich den witzigen Namen La Bicicleta (Fahrrad) gegeben hat. „Tango progresivo“ heißt sein Programm, bei dem es dem traditionellen Tango einen erfrischend modernen Anstrich gibt.

Moreno und Brandenburg komponieren auch, und so besteht das Konzert überwiegend aus eigenen Stücken. Gleich im ersten, „Zanata“, herrscht ein sehr rhythmischer und auch rauer Ton, der immer wieder mit klangvoll-melancholischen Passagen wechselt. Faszinierend zu beobachten ist das perfekt aufeinander abgestimmte Spiel der drei Vollblutmusiker. Wenige Blicke genügen, und die Geige greift einen Seufzer des Bandoneons auf, während Klavier und Bandoneon oft parallel den typischen Tango-Rhythmus erzeugen.

Mit unterschiedlichen Stücken zeigt das Ensemble, wie vielseitig der Tango progresivo ist, den schwungvollen Walzer ebenso wie die klassische Milonga umfasst. Ein außergewöhnliches Hörerlebnis bietet das Solostück für Geige, das Brandenburg für ihren Kollegen geschrieben hat. Den Wunsch der Komponistin, es „schmutzig, entfesselt und kontrastreich“ zu spielen, setzt Kellerhals perfekt um. In einem Wechselbad der Gefühle mit expressiven Momenten erzählt das Trio musikalisch eine „Crónica de un amor“. Auch dieses eindrucksvolle Stück stammt von Brandenburg: „Die bessere Kunst entsteht, wenn es in der Liebe nicht funktioniert“, sagt sie.

Im zweiten Teil des Abends kommt Berliner Großstadtatmosphäre ins Spiel. Ein witziger Videoclip, den das Ensemble 2011 gedreht hat, bildet den Hintergrund zu Morenos Stück „Los puentes de Berlin“. Doch nicht nur der heimische Kiez, dem Brandenburg mit „Tango Neukölln“ ein wunderbares Denkmal gesetzt hat, sondern auch Konzertreisen liefern Inspiration. Ein schönes Beispiel dafür ist eine stimmungsvolle „Zamba“, in der sich klanglich die Weite der argentinischen Landschaft spiegelt. Der Funke zwischen Künstlern und Publikum ist da längst übergesprungen. Mit „Sombras azul“, bei dem die Künstler in blaues Licht getaucht sind, schicken sie ihre begeisterten Zuhörer in die Nacht.